Washington/Hongkong.

Erschütterungen sind die Chinesen an der Grenze zu Nordkorea nach fünf Nu­kleartests zwar gewohnt. Doch dass die Erde so schlimm beben würde wie an diesem Sonntagmittag – damit hat dann doch keiner gerechnet. Zehntausende Menschen seien panisch aus ihren Häusern gerannt, berichtet das chinesische Staatsfernsehen. Selbst in der Provinzhauptstadt Changchun, rund 350 Kilometer von der nordkoreanischen Grenze entfernt, sei das Beben noch zu spüren gewesen.

Nordkorea hat es wieder getan. Zum sechsten Mal hat das Regime in Pjöngjang unterirdisch eine nukleare Bombe testen lassen. Von „mindestens zwei schweren Erschütterungen“ berichten die chinesischen Staatsmedien. Zunächst habe es auf nordkoreanischer Seite mittags gegen 12.30 Uhr eine schwere Explosion gegeben, acht Minuten später habe es ein schweres Nachbeben gegeben. Erdbebenwarten weltweit haben Erschütterungen gemessen, die auf eine Energiefreisetzung der Stärke 6,3 am Ort der Explosion hinweisen – zehnmal stärker als der Test vor einem Jahr, dem bis dahin stärksten Nukleartest der Nordkoreaner. Auch dieses Mal sei das Beben vom Test-Gelände Punggye-ri ausgegangen.

Die Bestätigung aus Pjöngjang ließ nicht lange auf sich warten. In einem rosa Gewand verkündete eine freudestrahlende Nachrichtensprecherin mit feierlicher Stimme etwa eine Stunde später die „erfolgreiche Zündung einer Wasserstoffbombe“. Sie habe „eine beispiellose Kraft“ entfaltet und sei ein „sehr bedeutsamer Schritt beim Erreichen des Ziels, zu einer Atommacht aufzusteigen.“ Zudem könne mit dieser Bombe auch eine Langstreckenrakete bestückt werden.

Das nordkoreanische Staatsfernsehen zeigte Bilder des Machthabers Kim Jong-un einige Stunden vor dem Test, wie er freudig ein metallenes Geschoss begutachtet, das einem Bierfass ähnlich sieht. In einem weiteren Bild ist der Diktator zu sehen, wie er den Test mit einer Unterschrift offiziell genehmigt.

Dass es sich am Sonntagmittag um einen weiteren Nukleartest handelte, bestätigten wenig später auch die Regierungen von Südkorea, China und Japan. Ob es sich jedoch auch um die Explosion einer Wasserstoffbombe handelt, wie von Nordkorea behauptet, wird derzeit noch geprüft. Während der Nukleartest vor einem Jahr noch eine Explosionskraft von 10.000 Tonnen des herkömmlichen Sprengstoffs TNT erreichte, waren es dieses Mal ersten Schätzungen zufolge über 120.000 Tonnen. Das sei eine enorme Steigerung, befindet Militärexperte Bruce Bennett der US-Denkfabrik Rand Corporation auf BBC – und „eine wirklich große Waffe“. Bereits 2016 hatte Pjöngjang den erfolgreichen Test einer Wasserstoffbombe vermeldet, was von internationalen Experten – auch von deutschen – allerdings angezweifelt wurde. Nordkorea behauptet, alle Komponenten der Bombe seien „zu 100 Prozent im eigenen Land hergestellt“.

US-Präsident Donald Trump hat im Verbal-Krieg mit Nordkorea den Ton verschärft und erneut eine militärische Antwort angedeutet. In einer Serie von Twitter-Kommentaren bezeichnete er Nordkorea als „Schurkenstaat“, dessen Worte und Taten für Amerika weiterhin „sehr feindselig und gefährlich“ seien. Pjöngjang sei für China eine „große Bedrohung und Peinlichkeit“ geworden. Peking versuche bei der Lösung des Konflikts zu „helfen“, das aber „mit wenig Erfolg“. Auch Südkorea bekam überraschend Kritik ab. Das von der Regierung in Seoul betriebene „Gerede von einer Beschwichtigungspolitik“ mit Diktator Kim Jong-un werde keinen Erfolg haben. Nordkorea „versteht nur eine Sache“, schrieb Trump.

Ob damit eine militärische Ausschaltung der nordkoreanischen Atomwaffen-Kapazitäten unter US-Führung gemeint ist, ließ der Präsident offen. Südkorea zeigte sich irritiert, zumal Trump erwägt, ein wichtiges Freihandelsabkommen mit der Regierung von Präsident Moon Jae-in zu kündigen.

US-Verteidigungsminister James Mattis wählte am Sonntagabend hingegen klare Worte. Er drohte Nordkorea mit einer massiven militärischen Antwort für den Fall einer Bedrohung der USA und deren Verbündeter. Die Reaktion werde „überwältigend“ ausfallen, sagte Mattis. Die USA hätten „viele“ militärische Optionen, die Präsident Donald Trump benutzen könne. Trump sei über diese Möglichkeiten informiert worden. Er fügte hinzu, dass die Trump-Regierung nicht die „totale Vernichtung“ irgendeines Landes anstrebe, namentlich von Nordkorea. Aber die USA hätten „viele Optionen, dies zu tun“.

Der Zorn über Nordkoreas erneutem Nukleartest ist weltweit groß. Japan und Südkorea riefen unverzüglich eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates ein, bereits zum zweiten Mal innerhalb einer Woche. Erst am vergangenen Dienstag versetzte der nordkoreanische Diktator Japans Bewohner in Schrecken, als er eine ballistische Rakete über den Norden des Inselstaates feuern ließ. Auch China, offiziell Nordkoreas letzter verbliebener Verbündeter, ist verärgert. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums verurteilte in für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich scharfen Worten das Vorgehen Nordkoreas und kündigte „entschiedenen Widerstand“ an.

Die Nato hat den nordkoreanischen Atomtest als offene Verletzung diverser Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verurteilt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Emmanuel Macron haben den Atomtest scharf verurteilt und härtere Sanktionen der EU gegen das isolierte Land gefordert. „Diese jüngste Provokation des Machthabers in Pjöngjang hat eine neue Dimension erreicht“, heißt es in einer Erklärung der Bundesregierung.