Berlin/Gütersloh.

Schon lange leben Muslime in Europa. Doch zuletzt haben Terrorismus und Flüchtlingskrise dafür gesorgt, dass kaum eine andere Gruppe so stark im Visier öffentlicher Debatten steht. Wie steht es um das Miteinander zwischen Muslimen und Nichtmuslimen? Für den „Religionsmonitor 2017“ hat die Bertelsmann-Stiftung mehr als 10.000 Menschen aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Großbritannien und der Türkei zu ihrem Glauben, zur Freizeit, aber auch zur Bildung und Arbeit befragt. In Deutschland nahmen 1100 Muslime teil. Geflüchtete, die in den vergangenen Jahren nach Europa gekommen sind, wurden nicht befragt. Das Ergebnis: Die Muslime sind gut integriert, etwa auf dem Arbeitsmarkt. Doch viele kämpfen mit Vorurteilen.

Verbundenheit zum EU-Land

In Deutschland leben zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslime – sie kommen aus ganz verschiedenen Kulturen und Ländern, von Bosnien bis Pakistan. Jeder zweite Muslim hat einen deutschen Pass. Spätestens seit der zweiten Generation sind sie mehrheitlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen, bilanziert die Studie. Entscheidend ist dabei: Die allermeisten Muslime in den europäischen Ländern fühlen sich dem Land, in dem sie leben, verbunden. In Deutschland liegt der Anteil bei 96 Prozent. 84 Prozent geben an, dass sie ihre Freizeit regelmäßig mit Nichtmuslimen verbringen. Gleiche Erfolge des Zusammenlebens zeigen sich in Frankreich. Etwas geringer ist sie im Vereinigten Königreich ausgeprägt: 89 Prozent. Damit belegt Deutschland einen Spitzenplatz. In Österreich ist die Verbundenheit der Islamgläubigen mit dem Land ihres Lebensmittelpunktes dagegen geringer – liegt aber immerhin bei 88 Prozent der Befragten. Das Leben zwischen Muslimen und Nichtmuslimen – etwa bei Bildung, Sprache und Freizeitleben – nähert sich an.

Akzeptanz in der Nachbarschaft

Und doch stoßen Muslime immer wieder auf Diskriminierung – der Fortschritt bei der Integration wird von manchen offenbar nicht geschätzt. 37 Prozent der Befragten mussten hierzulande solche Erfahrung machen – in anderen Staaten Europas sogar ein noch größerer Teil dieser Gruppe. Jeder fünfte Deutsche will keine Muslime in der Nachbarschaft. Ähnlich stimmen die Befragten in Großbritannien (21 Prozent) und Österreich (28 Prozent) ab. Lediglich die nicht muslimischen Schweizer (17 Prozent) zeigen sich in dieser Frage offener. Ein wichtiger Faktor ist in Europa die Angst vor religiös motiviertem Terror. Die Anschläge, die im Namen des Islam verübt wurden, haben dazu geführt, dass die Religionszugehörigkeit von Migranten stärker thematisiert wird. Viele berichten: „Erst war ich für die Deutschen die Ausländerin, dann die Türkin, jetzt bin ich die Muslimin.“ Hinzu kommt jedoch auch: Menschen, die der zweiten und dritten Generation von Zuwanderern angehören, treten selbstbewusster auf als ihre Vorfahren. Sie fordern stärker Respekt für ihre Religion ein. Sie sind verbunden nicht nur mit Deutschland, sondern auch mit Kultur und Glauben des Landes, aus dem sie selbst, ihre Eltern oder Großeltern einst zugewandert sind. Dieses Selbstverständnis gefällt nicht allen Deutschen und stößt auf Ablehnung.

Chancen am Arbeitsmarkt

Der Grad der Beschäftigung von Muslimen unterscheidet sich in der Bundesrepublik kaum vom Durchschnitt der Erwerbstätigen. Rund 80 Prozent arbeiten in Vollzeit oder Teilzeit. Auch die Arbeitslosenquote unterscheidet sich kaum. In Frankreich und Österreich sieht das anders aus. Auch in Großbritannien: Der Anteil erwerbsloser Muslime ist deutlich höher als die Quote bei nicht muslimischen Arbeitslosen (14 statt acht Prozent). Die Studie zeigt auch, dass sich die Sprachkompetenzen mit jeder Generation verbessern – und das europaweit. Bei der Bildung schneidet Deutschland allerdings schlechter ab als in manchen Nachbarstaaten: Mehr als jeder dritte muslimische Jugendliche verließ vor Ende des 17. Lebensjahres die Schule. In Frankreich, wo Kinder gemeinsam länger lernten, ist es nur jeder Neunte.

Bedeutung der Religion

Benachteiligungen sieht die Studie vor allem gegenüber stark religiösen Muslimen. Sie verdienten weniger und haben es schwer, einen Job zu finden, der ihrer Ausbildung entspricht. Wer etwa ein Kopftuch trägt, wird stärker diskriminiert. Das belegen auch andere Studien. In Deutschland bezeichneten sich 40 Prozent der Muslime als „hochreligiös“. Die Bertelsmann-Experten raten: Gebete und Moscheegänge sollten auch mit Vollzeitjobs vereinbar sein. Sie verweisen auf Großbritannien. Beispielsweise dürften britische Polizistinnen bereits seit zehn Jahren im Dienst ein Kopftuch tragen.