Washington.

Stephen Bannon ist weder sportlich, noch hat er es mit Fußball. Aber was ein Eigentor ist, weiß der gefeuerte Strategie-Berater von Donald Trump jetzt ziemlich genau.

„Breitbart News“, das rechtspopulistische Internetportal, das sich als schrillste Medienposaune des noch schrilleren amerikanischen Präsidenten versteht, hat pünktlich zur Rückkehr seines aggressiven Vorstandsvorsitzenden wieder seine manipulativen Neigungen voll ausgelebt.

Zu einem Bericht mit der Schlagzeile „Spanische Polizei hebt Gangs aus, die Migranten auf Jetskis schleusen“ stellte das in kaum zehn Jahren vom sektiererischen Nischenprodukt zum millionenschweren Medienimperium aufgestiegene Unternehmen (www.breitbart.com) am Wochenende ein Foto, das den ehemaligen deutschen Fußball-Nationalspieler Lukas Podolski zeigt – und in die Nähe von Menschenschmugglern rückt. Um einem gerichtlichen Nachspiel zu entgehen, machte das von dem 31-jährigen Alex Marlow geleitete Organ zügig den Kotau und entschuldigte sich.

Dass die Veröffentlichung auf einen der Hektik des Produktionsalltags geschuldeten Fehler oder schiere Unkenntnis zurückgehen könnte, glaubt niemand. Podolski hat beim englischen Premier-League-Klub Arsenal London gespielt. Dort sitzt auch das für die Bildauswahl verantwortliche Europa-Büro von „Breitbart“. Es wird geleitet von Raheem Kassam, einem Ex-Berater von Brexit-Initiator Nigel Farage. Also bewusst inszeniert?

Bericht der „Ruhr Nachrichten“ umgedichtet

„Breitbart News“, laut Analyse-Seite Alexa in der Rangliste der weltweit meistbesuchten Webseiten auf Platz 300, in den USA auf 63, hat sich mit der Peinlichkeit nicht zum ersten Mal ins journalistische Abseits geschossen.

Ein Beispiel: „Enthüllt: 1000-Mann-Mob attackiert Polizei, zündet an Silvester Deutschlands älteste Kirche an.“ Mit dieser Schlagzeile machte sich „Breitbart“ Anfang des Jahres in Dortmund und darüber hinaus lächerlich. Wiederum das Londoner Büro hatte vom grünen Tisch aus einen Bericht der „Ruhr Nachrichten“ rund um Proteste an der Reinoldikirche derart hanebüchen umgebürstet, dass sich die örtliche Polizei zu einer vernichtenden Stellungnahme genötigt sah: „Herausragende oder spektakuläre Silvestersachverhalte wurden nicht gemeldet.“

Zwei kleine Beispiele von vielen, die Forscher und Medienbranche in Amerika gerade mitdenken. Jetzt, wo Stephen Bannon nach seinem mit Rauswurf geendeten Intermezzo im Weißen Haus wieder auf der Kommandobrücke von „Breitbart“ steht.

Er hatte das Portal nach dem plötzlichen Tod des auf Kulturkampf gegen die Linke geeichten Gründers Andrew Breitbart 2012 im Stil eines Redaktionsdespoten übernommen. Ben Shapiro, ehemaliger Kolumnist der Seite, nennt Bannon einen „herausragenden Manipulator“.

Forscher der Elite-Universitäten Harvard und MIT stützen die These. Danach hat „Breitbart“ im vergangenen US-Wahlkampf mit weitem Abstand die meisten rechtslastigen, pro Trump geprägten Artikel verfasst, die dann via soziale Netzwerke millionenfach verbreitet wurden. Entscheidend: Gezielte Desinformation mit einem Körnchen Wahrheit sei die Spezialität von „Breitbart“.

Weil der 63-Jährige angekündigt hat, mit der im Monat von knapp 40 Millionen Nutzern angeklickten Plattform, auf der antisemitische, islamfeindliche und rassistische Ansichten auch in Leserkommentaren Platz finden, zu expandieren (auch in Deutschland gibt es Pläne), geht Verunsicherung um.

Wird „Breitbart“ der TV-Konkurrenz von Fox News, bisher das quotenträchtigste mediale Lagerfeuer, um das sich Demokraten-Hasser, Ethno-Nationalisten, Tea-Party-Konservative und Trump-Fans allabendlich versammeln, den Rang ablaufen? Oder wird der finanziell an die im Stillen wirkende Milliardärsfamilie des Hedgefonds-Unternehmers Robert Mercer angedockte Bannon einen neuen multimedialen Kanal aufbauen?

Bannon hat in seinem ersten Interview versprochen, „Breitbart“ als pu­blizistischen Dobermann einzusetzen. Als Werkzeug, um Trumps „Opposition“ zu „zerstören“. Worunter der frühere Wall-Street-Banker und Filmproduzent jene Kräfte versteht, die nicht die Zerschlagung der Eliten in Washington verfolgen, die nicht Amerika aus der Globalisierung lösen wollen, die nicht den Islamismus als Krebsgeschwür ansehen und denen nicht das Wohl der christlichen, weißen Mehrheit im Lande über alles geht. Schlagzeilen wie „Zehn Dinge, die ich am Islam hasse“ oder „Junge Muslime im Westen sind tickende Zeitbomben“, die schon früher zum Standardprogramm gehörten, dürften nach Einschätzung von Fachleuten der Columbia-Universität künftig „noch schärfer“ werden.

Andererseits darf man gespannt sein, wie Bannon die zuletzt durch die Ereignisse von Charlottesville Oberwasser spürende Altright-Szene aus Neonazis und Befürwortern eines nach Ethnien getrennten Amerikas behandelt. Deren Galionsfiguren, allen voran Rassist Richard Spencer, hatten in „Breitbart“ lange einen wohlwollenden Beschützer. Jetzt hat Bannon die in Charlottesville mit Schlagstock, Schild und Helm versammelt gewesene Rechtsextremisten als Ansammlung von „Verlierern und Clowns“ tituliert. Was denn nun?