Düsseldorf.

Zu einem Gefühlsausbruch lässt sich Joachim Hunold am Telefon nicht hinreißen. Noch sitzt er im Verwaltungsrat von Air Berlin, über die Pleite der Fluglinie mag er nicht mehr sagen, als in offiziellen Verlautbarungen zu lesen ist. „Vielleicht später einmal“, sagt er knapp und beendet das Gespräch.

Wer den impulsiven Hunold aus seiner Blütezeit kennt und wer ihn zuletzt sah, hager und ein bisschen müde, der ahnt, wie tief die Enttäuschung sitzt: Er, der 1991 die amerikanische Air Berlin Inc. mit zwei Maschinen kaufte und die Air Berlin GmbH & Co. Luftverkehrs-KG von Düsseldorf aus binnen zwölf Jahren zu Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft machte, erlebt nun ihre bitterste Stunde. Es hatte sich zu lange abgezeichnet, als dass es den 67-Jährigen noch hätte überraschen können. Aber es schmerzt.

Gefeiert hatten sie „den Achim“. Als Macher mit hemdsärmeligen Umgangsformen, dem erst einmal alles gelingt. Hunold, der Lebemann, der Duzer, der Kneipenmensch mit abgebrochenem Jurastudium, einer, der Spaß hat an seiner Firma. Hunold senkt die Kosten und startet zunächst gerne von Flughäfen, die Verkehr brauchen – ein Modell, das der Billigriese Ryanair perfekt kopiert hat.

Der „Mallorca-Shuttle“ 1998 ist das erste Kapitel einer Erfolgsgeschichte. Air Berlin fliegt Pauschaltouristen zum „Ballermann“ und wird in Palma Marktführer auf den Balearen. Der „City-Shuttle“ 2002 wird zum Einstieg ins Billigfluggeschäft. Die Lufthansa verspürt zum ersten Mal Druck auf dem heimischen Markt und reagiert mit Hunderttausenden 99-Euro-Tickets.

Air Berlin schluckt dba (vormals Deutsche BA). „Wir müssen wachsen“, sagt Hunold immer wieder, der Gang an die Börse bringt 2006 frische Millionen. Im März 2007 erlebt Hunold den emotionalsten Augenblick seines Arbeitslebens: Er steht vor den Beschäftigten von LTU, die ihn einst als Marketingchef gefeuert hatte. Jetzt kehrt er als Boss zurück. Denn um ins Langstreckengeschäft einzusteigen, übernimmt Air Berlin auch den angeschlagenen Ferienflieger.

Immer mehr Beteiligungen, immer mehr Umsatz, aber auch immer mehr Kosten. Air Berlin will plötzlich Linien-, Charter- und Billigflieger auf einmal sein. Hunold verzettelt sich.

Hartmut Mehdorn übernimmt 2011, setzt fatalerweise auf den geplanten Berliner Flughafen. Drei weitere Chefs werden folgen, trotz zahlloser Sparprogramme türmt sich der Schuldenberg auf 1,2 Milliarden Euro. Air Berlin überlebt zunächst nur, weil Etihad aus Abu Dhabi einsteigt. Doch die Araber erweisen sich als schlechte Kaufleute, beteiligen sich an zu vielen defizitären Fluggesellschaften und lassen Air Berlin fallen.

„Wenn es beim Ausstieg aus dem Flugzeug kein Schokoladenherz mehr gibt, dann ist es vorbei mit Air Berlin“, hat eine Stewardess einmal gesagt. Nun ist es so weit.