Washington.

Unter großem Druck der Öffentlichkeit und auf Anraten republikanischer Prominenz wie enger Mitarbeiter im Weißen Haus hat US-Präsident Donald Trump zwei Tage nach dem tödlich geendeten Gewaltexzess von Rechtsextremisten in Charlottesville seinen Kurs geändert. „Rassismus ist böse“, sagte er am Montag in Washington. Er bezeichnete Neonazis sowie den auf weiße Vorherrschaft setzenden Ku-Klux-Klan als „abstoßend“. Besagte Gruppen hätten keinen Platz in Amerika.

Nach ausgiebigem Eigenlob für den angeblichen wirtschaftlichen Fortschritt der USA („eine Million Arbeitsplätze seit Amtsantritt“) sagte Trump, dass alle, die im Namen von Rassismus Gewalt ausübten, „Kriminelle und Verbrecher sind“ und zur Rechenschaft gezogen würden. Amerika als Nation sei auf der „Wahrheit gegründet, dass wir alle gleich erschaffen sind“. Trump erlaubte bei seinem vom Teleprompter abgelesenen Statement keine Nachfragen von Journalisten.

Präsident geriet wegen Aussagen stark unter Druck

Der Präsident war seit Sonnabend massiv unter Druck geraten, weil er nach Zusammenstößen von Rechtsextremisten und Gegendemonstranten in Charlottesville gleichrangig „Gewalt von vielen Seiten“ beklagt hatte. Ohne gesondert darauf einzugehen, dass ein 20-jähriger Neonazi mit seinem Auto mit Absicht in eine Gruppe von Gegendemonstranten gerast war. Dabei war eine 32-jährige Frau ums Leben gekommen. 20 weitere Menschen wurden verletzt.

Trumps Konzession an seine Kritiker ging gestern der Rücktritt eines prominenten Afroamerikaners aus einem wirtschaftlichen Beirat des Präsidenten voraus. Ken Frazier, Chef des Pharma-Riesen Merck, hatte mit Verweis auf Trumps vage erste Erklärung seine Zusammenarbeit aufgekündigt.

Dass der US-Präsident den Gewaltakt von Charlottesville nach wie vor nicht als Fall von inländischem Terrorismus ansieht, obwohl FBI und Justizministerium auch in diese Richtung ermitteln, ist für seine Kritiker ein Hinweis, dass sich der Präsident noch immer schwertut, die extreme politische Rechte im Land öffentlich auszugrenzen. Den Grund dafür lieferte möglicherweise im vergangenen Herbst der „Daily Stormer“. Damals machte die klickträchtigste Neonazi-Webseite in den USA eine seltene Wahlempfehlung. „Donald Trump ist bereit zu sagen, was die meisten Amerikaner denken“, schrieben die Rechtsextremisten, nachdem Trump massiv gegen illegale Einwanderer und die Einreise von Muslimen zu Felde gezogen war. Der „Stormer“ rief die weiße Bevölkerung auf, „zum ersten Mal in unserem Leben für den einen Mann zu stimmen, der tatsächlich unsere Interessen vertritt“.

Zehn Monate später sitzt Trump im Weißen Haus. Und mobilisiert trotz der gestrigen Distanzierung mit seiner populistischen Identitätspolitik weiter das Rechtsaußen-Spektrum, das laut FBI auf „einige Zehntausend Mitglieder“ bauen kann. Nicht nur das. Trump hat in der zersplitterten radikalen Rechten für eine flächendeckende Enthemmung gesorgt. „Sieg Heil“-Rufe mit Hitlergruß, Hakenkreuze und andere NS-Devotionalien gehörten auch in Charlottesville zum Repertoire vieler Provokateure, die mit Richard Spencer und David Duke zwei Promis in ihren Reihen haben.

Duke war Chef des für Hunderte Lynchmorde an Schwarzen verantwortlichen Ku-Klux-Klans. In Charlottesville erklärte der bekennende Rassist, dass die Bewegung „Trumps Versprechen einlöst – wir holen uns unser Land zurück“. Spencer, Wortführer des Alt-Right-Sammelbeckens aus Neonazis, Rechtsradikalen und „White Power“-Vertretern, tritt für ein ethnisch gesäubertes Amerika ein: „Noch vor Kurzem war Amerika ein weißes Land, geschaffen für uns und unsere Nachfahren. Es ist unsere Schöpfung, unser Erbe. Und es gehört uns.“

Dass Duke, Spencer und andere ihre Thesen bisher vom Weißen Haus ungestraft öffentlich feilbieten konnten, hat nach Angaben der Rassismuswächter des Southern Poverty Law Centers (SPLC) „dramatische Folgen“. Die Zahl der Hassverbrechen (die letzte verfügbare FBI-Zahl stammt von 2015: circa 6000) gegen Schwarze, Schwule, Latinos und Muslime sei seit Trumps Wahl „drastisch gestiegen“. Die Rede ist von über 1000 Delikten. Es gab neben Hetze auch Gewalttaten bis hin zu Bombenanschlägen und Mord. Da sich der Präsident, anders als bei islamistischem Extremismus, hier bisher nie mit klaren Verurteilungen zu Wort gemeldet hat, wird das rechtsex­treme Lager „immer selbstbewusster“, sagt der SPLC-Experte Richard Cohen.

Als „Garant dafür, dass unser Anliegen nicht vergessen wird“, sagten Rechtsextremisten in Charlottesville, gilt Trumps Chefberater Stephen Bannon. Als Chef des Nachrichtenportals Breitbart News hatte der frühere Wall-Street-Banker Neonazis, Islamhassern, Antisemiten und Rassisten eine Plattform geboten, auf der sie sich austoben konnten. Da Bannon im Sinne Lenins den „administrativen Staat“ zerschlagen will, glauben viele Rechtsradikale einen Fürsprecher in der Regierung zu haben. Kritiker drängen Trump dazu, den radikalen Nationalisten zu entlassen. Bislang weigert sich der Präsident.