Charlottesville. Der US-Präsident hat sich nach der Attacke nicht klar von den Nazis distanziert. Klar ist: Der Fisch stinkt vom Kopf. Dirk Hautkapp kommentiert.

In Krisen-Situationen suchen Amerikaner traditionell Halt bei ihren Präsidenten. Bei Donald Trump greifen sie auch hier ins Leere. von Charlottesville hat auf besonders bedrückende Weise deutlich gemacht, woran es ihm mangelt: Verantwortungsbewusstsein, moralische Klarheit, die Fähigkeit zur Selbstkritik.

Besäß er diese Tugenden, dann hätte Trump sich längst in einer Live-Ansprache an die Nation kraftvoll von dem rassistischen und antisemitischen Mob distanziert, der unter dem Vorwand, ein Reiter-Denkmal aus dem Bürgerkrieg schützen zu wollen, sein gesellschaftszersetzendes Gift verspritzt hat.

Trump ist auf dem rechten Auge blind

Besäße er diese Tugenden, dann hätte Trump sein Mitverschulden am Erstarken der Hasskappen eingeräumt, die in Multikulti-Amerika die Uhren ins 19. Jahrhundert zurückdrehen wollen: Vorfahrt für Weiße. Schwarze aufs Abstellgleis. Raus mit den Illegalen. Wirtschaftlich die Schotten dichtmachen. Amerika über alles.

Blutige Proteste in Charlottesville

In der US-Stadt Charlottesville sind Rechtsextreme mit Gegendemonstranten aneinandergeraten.
In der US-Stadt Charlottesville sind Rechtsextreme mit Gegendemonstranten aneinandergeraten. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS
Am Rande der Kundgebung raste ein Auto in eine Gruppe von Gegendemonstranten.
Am Rande der Kundgebung raste ein Auto in eine Gruppe von Gegendemonstranten. © dpa | Ryan M. Kelly
Eine Frau starb, zahlreiche weitere wurden verletzt.
Eine Frau starb, zahlreiche weitere wurden verletzt. © dpa | Ryan M. Kelly
Rettungskräfte halfen den Verletzten nach dem Zusammenprall.
Rettungskräfte halfen den Verletzten nach dem Zusammenprall. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS
Ein Polizist stützte eine verletzte Demonstrantin.
Ein Polizist stützte eine verletzte Demonstrantin. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS
Die Polizei rief die Bürger dazu auf, das Gebiet zu meiden.
Die Polizei rief die Bürger dazu auf, das Gebiet zu meiden. © REUTERS | JUSTIN IDE
Polizisten sperrten den Unfallort ab, an dem das Auto in die Gruppe von Demonstranten gefahren war.
Polizisten sperrten den Unfallort ab, an dem das Auto in die Gruppe von Demonstranten gefahren war. © dpa | Steve Helber
US-Präsident Donald Trump verurteilte die Krawalle, auch wenn er nicht direkt auf die Neonazis einging.
US-Präsident Donald Trump verurteilte die Krawalle, auch wenn er nicht direkt auf die Neonazis einging. © REUTERS | JONATHAN ERNST
Schon den ganzen Tag über war es zu Gewalt zwischen den Ultra-Nationalisten und den Gegendemonstranten gekommen.
Schon den ganzen Tag über war es zu Gewalt zwischen den Ultra-Nationalisten und den Gegendemonstranten gekommen. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS
Stunden bevor die Veranstaltung am Samstag überhaupt begann, lieferten sich Teilnehmer beider Seiten teils heftige Schlägereien.
Stunden bevor die Veranstaltung am Samstag überhaupt begann, lieferten sich Teilnehmer beider Seiten teils heftige Schlägereien. © dpa | Steve Helber
Die Bundespolizei von Virginia setzte Pfefferspray ein.
Die Bundespolizei von Virginia setzte Pfefferspray ein. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS
Rechtsextreme warfen eine Rauchbombe in Richtung der Gegendemonstranten.
Rechtsextreme warfen eine Rauchbombe in Richtung der Gegendemonstranten. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS
Der Gouverneur von Virginia hatte kurz nach Ausbruch der Gefechte den Notstand ausgerufen.
Der Gouverneur von Virginia hatte kurz nach Ausbruch der Gefechte den Notstand ausgerufen. © dpa | Steve Helber
Hunderte Rechtsextreme versammelten sich in Charlottesville.
Hunderte Rechtsextreme versammelten sich in Charlottesville. © dpa | Steve Helber
Zum Teil trugen sie Symbole von weißen Nationalistin und die Flagge der Konföderation.
Zum Teil trugen sie Symbole von weißen Nationalistin und die Flagge der Konföderation. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS
Es gab Verletzte auf beiden Seiten.
Es gab Verletzte auf beiden Seiten. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS
Die Gegendemonstranten formierten sich.
Die Gegendemonstranten formierten sich. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS
Schon am Freitagabend marschierten Nationalisten und Rechtsextremisten mit Fackeln über den Campus der University of Virginia in Charlottesville.
Schon am Freitagabend marschierten Nationalisten und Rechtsextremisten mit Fackeln über den Campus der University of Virginia in Charlottesville. © dpa | Mykal Mceldowney
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Zu dieser Reue ist Trump aber selbst dann nicht fähig, wenn ein Mensch stirbt, weil ein rechtsgewirkter Spinner mit Absicht Amok und Andersdenkende im Stil des „Islamischen Staats“ über den Haufen fährt. Trump ist auf dem rechten Auge blind. Er hat, auch hier, weder Anstand noch Kompass.

Trump hat sich nie distanziert

Trump hat die radikale Rechte seit Ausrufung seiner Kandidatur im Sommer 2015 aus der Schmuddelecke in den politischen Mainstream geholt. Sein dröhnendes Schweigen zu vielen Hassverbrechen von Neonazis und grassierender Gewalt gegen Minderheiten, erst vor einer Woche ignorierte er einen Bombenanschlag auf eine Moschee in Minnesota, hat die Neu-Ewiggestrigen ermutigt und revitalisiert.

Dreckschleudern wie Richard Spencer oder der ehemalige Ku-Klux-Klan-Führer David Duke fühlten sich schon im Wahlkampf von Trumps ressentimentgetriebener Politik gegen Behinderte, Schwule und Lesben, Mexikaner, Muslime und Alles-was-irgendwie-links-ist-und-nach-Obama-riecht angetörnt.

Als Trump ins Amt kam, riefen sie in fester Erwartung, dass nun Politik für den „vergessenen weißen Mann“ gemacht wird, ohne Scham: „Sieg Heil! Sieg Trump!“.

Auto rast bei Nazi-Demo in Gegendemonstranten

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    Trump stellt rechte und linke Gewalt auf eine Stufe

    Sich von diesem Ungeist glaubwürdig abzusetzen, geriet Trump regelmäßig zur peinlichen Verrenkung. Tagelang ließ er Sympathieadressen des notorischen Hetzers David Duke stehen und rang sich erst auf Druck halbherzige Formulierungen wie „Hab ich nichts mit zu tun“ ab. Hat er doch.

    Trump weigert sich nicht nur, das hässliche Kind beim Namen zu nennen: weißer Rechtsextremismus. Er stellt die Gewalt von rechts und links, wie sie sich bei der von der Polizei fahrlässig schlecht gehandhabten Demonstration in Charlottesville offenbarte, auf eine Stufe. Da gehört sie, nach allem, was anerkannte Statistiken nahelegen, nicht hin.

    „Rhetorische Zuschläger“ in Trumps Team

    Amerika hat ein von laxen Waffengesetzen und überdehnter Meinungsfreiheit begünstigtes veritables Problem mit Inlands-Terrorismus von rechts, über das Trump anders als über die islamistische Spielart nie redet.

    Kein Wunder. Mit Sebastian Gorka und Stephen Miller hat Trump zwei Männer in seinem engsten Umfeld als rhetorische Zuschläger installiert, bei denen „White Supremacists“, den selbst ernannten Kämpfern für die Vorherrschaft der weißen Rasse, regelmäßig das Herz übergeht. Von der Gallionsfigur Stephen Bannon, der vor seinem Einzug ins Weiße Haus das Propaganda-Portal Breitbart zur Andockstelle für Konsumenten rassistischer und antisemitische Hetze gemacht hat, ganz zu schweigen.

    Wenn Charlottesville eines bewiesen hat, dann das: Der Fisch stinkt vom Kopf.