Charlottesville. Der US-Präsident hat sich nach der Attacke nicht klar von den Nazis distanziert. Klar ist: Der Fisch stinkt vom Kopf. Dirk Hautkapp kommentiert.
In Krisen-Situationen suchen Amerikaner traditionell Halt bei ihren Präsidenten. Bei Donald Trump greifen sie auch hier ins Leere. von Charlottesville hat auf besonders bedrückende Weise deutlich gemacht, woran es ihm mangelt: Verantwortungsbewusstsein, moralische Klarheit, die Fähigkeit zur Selbstkritik.
Besäß er diese Tugenden, dann hätte Trump sich längst in einer Live-Ansprache an die Nation kraftvoll von dem rassistischen und antisemitischen Mob distanziert, der unter dem Vorwand, ein Reiter-Denkmal aus dem Bürgerkrieg schützen zu wollen, sein gesellschaftszersetzendes Gift verspritzt hat.
Trump ist auf dem rechten Auge blind
Besäße er diese Tugenden, dann hätte Trump sein Mitverschulden am Erstarken der Hasskappen eingeräumt, die in Multikulti-Amerika die Uhren ins 19. Jahrhundert zurückdrehen wollen: Vorfahrt für Weiße. Schwarze aufs Abstellgleis. Raus mit den Illegalen. Wirtschaftlich die Schotten dichtmachen. Amerika über alles.
Blutige Proteste in Charlottesville
Zu dieser Reue ist Trump aber selbst dann nicht fähig, wenn ein Mensch stirbt, weil ein rechtsgewirkter Spinner mit Absicht Amok und Andersdenkende im Stil des „Islamischen Staats“ über den Haufen fährt. Trump ist auf dem rechten Auge blind. Er hat, auch hier, weder Anstand noch Kompass.
Trump hat sich nie distanziert
Trump hat die radikale Rechte seit Ausrufung seiner Kandidatur im Sommer 2015 aus der Schmuddelecke in den politischen Mainstream geholt. Sein dröhnendes Schweigen zu vielen Hassverbrechen von Neonazis und grassierender Gewalt gegen Minderheiten, erst vor einer Woche ignorierte er einen Bombenanschlag auf eine Moschee in Minnesota, hat die Neu-Ewiggestrigen ermutigt und revitalisiert.
Dreckschleudern wie Richard Spencer oder der ehemalige Ku-Klux-Klan-Führer David Duke fühlten sich schon im Wahlkampf von Trumps ressentimentgetriebener Politik gegen Behinderte, Schwule und Lesben, Mexikaner, Muslime und Alles-was-irgendwie-links-ist-und-nach-Obama-riecht angetörnt.
Als Trump ins Amt kam, riefen sie in fester Erwartung, dass nun Politik für den „vergessenen weißen Mann“ gemacht wird, ohne Scham: „Sieg Heil! Sieg Trump!“.
Trump stellt rechte und linke Gewalt auf eine Stufe
Sich von diesem Ungeist glaubwürdig abzusetzen, geriet Trump regelmäßig zur peinlichen Verrenkung. Tagelang ließ er Sympathieadressen des notorischen Hetzers David Duke stehen und rang sich erst auf Druck halbherzige Formulierungen wie „Hab ich nichts mit zu tun“ ab. Hat er doch.
Trump weigert sich nicht nur, das hässliche Kind beim Namen zu nennen: weißer Rechtsextremismus. Er stellt die Gewalt von rechts und links, wie sie sich bei der von der Polizei fahrlässig schlecht gehandhabten Demonstration in Charlottesville offenbarte, auf eine Stufe. Da gehört sie, nach allem, was anerkannte Statistiken nahelegen, nicht hin.
„Rhetorische Zuschläger“ in Trumps Team
Amerika hat ein von laxen Waffengesetzen und überdehnter Meinungsfreiheit begünstigtes veritables Problem mit Inlands-Terrorismus von rechts, über das Trump anders als über die islamistische Spielart nie redet.
Kein Wunder. Mit Sebastian Gorka und Stephen Miller hat Trump zwei Männer in seinem engsten Umfeld als rhetorische Zuschläger installiert, bei denen „White Supremacists“, den selbst ernannten Kämpfern für die Vorherrschaft der weißen Rasse, regelmäßig das Herz übergeht. Von der Gallionsfigur Stephen Bannon, der vor seinem Einzug ins Weiße Haus das Propaganda-Portal Breitbart zur Andockstelle für Konsumenten rassistischer und antisemitische Hetze gemacht hat, ganz zu schweigen.
Wenn Charlottesville eines bewiesen hat, dann das: Der Fisch stinkt vom Kopf.