Hannover. Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann über den Übertritt der ehemaligen Grünen-Abgeordneten Twesten und den Wahlkampf

In Niedersachsen wird vorzeitig gewählt, und die Atmosphäre im Land ist durch einen Parteiübertritt und den VW-Dieselskandal gespannt.

Herr Althusmann, Rot-Grün in Niedersachsen ist ohne Mehrheit, die Landtagswahl kommt viel früher als gedacht. Ihnen bleibt nun wenig Zeit, sich als Herausforderer von Ministerpräsident Weil bekannt zu machen. ..

Bernd Althusmann: Es muss jetzt wieder um Inhalte gehen, um die Stärkung der inneren Sicherheit, die Verbesserung der Schulpolitik, um eine bessere Infrastruktur, analog wie digital. Das muss im Vordergrund stehen. Rot-Grün ist an der eigenen Arroganz und Ignoranz gescheitert. Der Ministerpräsident hatte letztendlich seine Koalition, die von Anfang an knapp war, nicht beisammen.

Nun wollen SPD und Grüne aber sehr viel über den Fall Elke Twesten reden, die Grüne, die zur CDU-Fraktion wechselte. Ein rot-grüner Verrats-Wahlkampf ist bei Ihren Strategen nicht eingeplant.

Diese moralische Überhöhung der SPD und auch der Grünen ist aus meiner Sicht massiv geheuchelt. In Thüringen ist ein AfD-Abgeordneter in die SPD-Landtagsfraktion hineingeholt worden, damit die dortige Ein-Stimmen-Mehrheit nicht gefährdet wird. Gab es Widerspruch? Keinen. Bei uns war es eine persönliche Entscheidung, die Frau Twesten getroffen hat, die wir respektieren müssen. Der Ministerpräsident hat ein sehr fragwürdiges Verständnis von freigewählten Abgeordneten. Offenbar geht er von durchgreifendem Parteigehorsam aus. Das sieht aber die Verfassung nicht vor.

Um das Wann und Wie des Wechsels hat sich aber eine Gerüchteküche entwickelt.

Der Übertritt ist in einer Demokratie ein völlig normaler Vorgang, den es immer gegeben hat. Wir haben am Ende überlegt, wie wir mit diesem Willen umgehen. Es hat kein Angebot gegeben, keine Absprachen und Zusagen, wie auch? Alle Wahlkreise zu Bundestags- und Landtagswahl sind besetzt, wir sind in der Opposition. Alles, was da an bösartigen Spekulationen hineingedeutet wird, entbehrt jeder Grundlage.

Wann haben Sie denn zum ersten Mal von möglichen Übertrittsplänen Twestens gehört, und von wem?

Diese Gerüchte gibt es schon länger, das war ja offenbar auch der Grund dafür, dass Frau Twesten im Wahlkreis nicht wieder aufgestellt wurde, eine zu große Nähe zur CDU. Diese Gerüchteküche habe ich nie ernst genommen. Das macht man ja nicht mal eben so. Und ich habe bis zum letzten Tag nicht ernsthaft geglaubt, dass das wirklich so kommt. Ich habe dann auch gesehen, wie sehr Frau Twesten unter dieser persönlichen Entscheidung gelitten hat. Dass danach eine weit übers Ziel hinausschießende Hetzkampagne von ihren eigenen Parteifreunden und der SPD angeführt wurde, das haben nicht wir zu verantworten.

Mit Schwarz-Grün dürfte es in der nächsten Legislatur kaum etwas werden. Auch die Stimmung zur SPD ist belastet. Sie scheinen wieder auf Gedeih und Verderb bei der FDP gelandet. War es das wert?

Die CDU ist in der Lage, jederzeit mit allen demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten. Ich rate uns allen, zu Maß und Mitte zurückzukehren. Bis zum 15. Oktober kämpfen alle Parteien für sich. Die CDU wird möglicherweise stärkste Kraft werden, und dann werden wir entscheiden. Der Wählerwille ist übrigens durch den Übertritt nicht ausgehebelt worden, denn es werden Parteien gewählt, nicht Koalitionen. Ein kluger, vorausschauender Ministerpräsident hätte immer darauf achten müssen, alle seine Leute an Bord zu haben. Das ist ihm völlig aus dem Blick geraten.

Auch VW ist ein Wahlkampf-Thema. Sie haben ja erklärt, dass Sie zur Landesbeteiligung an VW und zum VW-Gesetz stehen. Ministerpräsident Weil wurde vorgehalten, dass sich seine Regierung teilweise eng mit VW abstimmt. Die Regierung McAllister hat es aber offenbar auch getan. Muss, wer die VW-Landesbeteiligung will, nicht eine Zusammenarbeit in Kauf nehmen?

In wirtschaftlich guten Zeiten für VW, in rosigen Zeiten, ist das aus meiner Sicht ein völlig unspektakulärer Vorgang. In einer existenziellen Krise muss jedoch, wenn man Aufklärung erst meint, die notwendige Distanz zu den Vorständen bestehen. Wir müssen wieder zur Aufsicht eines Konzerns zurückkommen. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, der Konzern könne die Einlassungen des Landes kontrollieren.

Weil hat doch aber seine Kritik zum Beispiel in einer Regierungserklärung nicht herausstreichen lassen?

Das ganze Vorgehen, eine Regierungserklärung zu ernsten Vorgängen bei VW durch den Vorstand quasi freigeben zu lassen, ist einfach nicht in Ordnung. Ich werde den gesamten Dieselskandal von Anfang bis Ende aufklären, ich werde mir das vollständig vorlegen lassen, sollte ich Ministerpräsident werden. Da gibt es viel aufzuräumen. Alle Mitarbeiter wollen doch endlich raus aus den Schlagzeilen. Und das geht nur, wenn man Aufklärung ernst nimmt und Distanz wahrt. Man darf als Ministerpräsident nicht politisch hilflos sein. Und man muss ernstgenommen werden.