Berlin.

Es gab eine Zeit, da hat Lisa Köhn gewählt. „Meine Mutter war stellvertretende Bürgermeisterin bei uns in der Kleinstadt“, sagt sie. Politik war also Thema beim Abendbrot, und da die Mutter bei der SPD war, war es für Lisa Köhn auch klar, wen sie wählt: „SPD und Linke meistens“, sagt sie. „Auch mal die Grünen, weil mir der Regenwald wichtig war.“ Doch die letzten drei Wahlkämpfe hat sie ignoriert und am Wahltag hat sie etwas anderes getan: „Entweder war ich im Urlaub oder Sahnetorte essen.“

Die 35-jährige DJane aus Berlin kann sich einfach nicht vorstellen, dass eine der etablierten Parteien sie mit einem Wahlplakat überzeugen kann. Weil es darum schon längst nicht mehr geht. Sie spricht von „sinnentleerter Sprache“ und „Dingen wie Sachzwang“. Köhn sieht die politische Kultur nicht nur gefährdet, sondern „im Ablaufen“. Der gesamte Prozess müsse sich ändern, damit sie ihn ernst nehmen könne, sagt sie.

Der 25 Jahre alte Sportstudent Bernd M. aus München meint, dass Politiker nur noch die Interessen von Konzernen vertreten. Gerade bei der aktuellen Autokartell-Debatte habe er das wieder besonders festgestellt. Zudem sieht er seine Meinung schon lange nicht mehr von Politikern vertreten, zumal sie, wie er sagt „vom Abgeordnetenstuhl in den Wirtschaftssessel überwechseln“. Dadurch verlören seine Interessensvertreter ihre Glaubwürdigkeit. „Wie kann es sein“, fragt er noch, „dass ein Umweltminister plötzlich Wirtschaftsminister wird?“ Und wie, fragt er weiter, sollen all die studierten Volljuristen die Welt eines Arbeiters verstehen?

Jemand, der die Argumente sowohl von Lisa Köhn als auch Bernd M. gut kennt, ist Werner Peters. Der 76-jährige ehemalige Hotelier war einst Gründungsmitglied der Partei der Nichtwähler. Nach zwei Wahlperioden hat er sie an einen Nachfolger übergeben, doch vor einem halben Jahr schlief die Gruppierung ein. „Aber das Thema ist nach wie vor sehr spannend“, sagt er, „gerade in diesem Wahlkampf.“ Die Partei hatte sich dafür eingesetzt, politische Repräsentation neu anzugehen – jenseits von „Parteien als Selbstzweck“. Er ist überzeugt, die einzige Form, sich heute Gehör zu verschaffen, ist die Wahlenthaltung. Peters überlegt, sein Parteinetzwerk zu nutzen, sozusagen Wahlkampf zu machen – fürs Nichtwählen.