Paris. Der französische Präsident setzt um, was er im Wahlkampf angekündigt hat – und ist plötzlich unbeliebt. Seine Umfragewerte sinken

„Jupiter“ hat es eilig. Wenn er die Treppe benutzt, die zu seinem Arbeitszimmer im ersten Stock des Élysée-Palasts führt, nimmt er stets gleich zwei Stufen auf einmal. „Jupiter“ – so haben die französischen Medien Staatspräsident Emmanuel Macron getauft. Ein Ausdruck von Hochachtung ist der Spitzname jedoch keineswegs, vielmehr spiegelt er die anhaltende Kritik an dem als rastlos und autoritär empfundenen Regierungsstil des jungen Staatsoberhaupts wider.

Sollte Macron überhaupt eine Schonfrist gehabt haben, dann ist sie extrem kurz ausgefallen. Noch ist der 39-Jährige keine drei Monate im Amt, schon haben sich die Medien auf ihn eingeschossen, seine Beliebtheitswerte sinken. Nach der jüngsten Umfrage sind nur noch 36 Prozent der Franzosen zufrieden mit der Politik ihres Präsidenten. Allein seit Anfang Juli fiel der Zustimmungswert um sieben Prozentpunkte. Nur Jacques Chirac hat im Jahr 1995 einen ähnlich rasanten Popularitätsverlust als frisch gewählter Staatspräsident hinnehmen müssen.

Frankreich ist eine alte Dame, die nicht gerne gescheucht wird. Macron aber, der sein Land im Rekordtempo umkrempeln will, tut genau das. „Reformieren, und zwar sofort“ lautet das von ihm ausgegebene Motto. So segnete die erst im Juni gewählte Nationalversammlung bereits vergangene Woche ein Gesetz ab, das es der Regierung ermöglicht, eine umstrittene Lockerung des rigiden Arbeitsrechts ab September per Verordnung umzusetzen.

An diesem Mittwoch dürften die Parlamentarier auch dem Doppelgesetz zur Moralisierung der Politik endgültig zustimmen. Es verbietet Ministern sowie Abgeordneten, nahe Verwandte als Mitarbeiter zu beschäftigen, und unterwirft die Parteienfinanzierung strengeren Regeln.

Widerstand gegen offiziellen Status für Brigitte Macron

Außerdem werden die Auslagen der Abgeordneten künftig nur noch gegen Beleg erstattet. Die großzügige Aufwandspauschale hingegen soll ebenso abgeschafft werden wie die sogenannte parlamentarische Reserve – erhebliche Finanzmittel, die die Volksvertreter nach eigenem Ermessen an Projekte in ihren Wahlkreisen vergeben konnten.

Wie angekündigt wird Macron heute also gleich zwei seiner Wahlversprechen „umgehend“ eingelöst haben. Die meisten Franzosen freilich erfahren dies in ihrem Urlaub, denn die lange französische Sommerpause begann bereits im Juli. Zudem schickt sich der Präsident an, das alte Bonmot zu widerlegen, demzufolge Wahlversprechen nur für jene gelten, die dumm genug sind, an sie zu glauben.

Zu diesen Wahlversprechen gehört auch das Vorhaben, der „Première Dame“ einen offiziellen Status und ein eigenes Budget für ihren Mitarbeiterstab sowie Repräsentationspflichten zu verleihen. Doch obwohl Macron nicht vorhat, seiner Ehefrau Brigitte ein Gehalt zuzubilligen – es sollen lediglich die bisher aus dem Etat des Élysée-Palasts bestrittenen Mittel für die Aktivitäten der First Lady gesondert ausgewiesen werden -, regt sich heftiger Widerstand. Eine Onlinepetition, die sich gegen die „Institutionalisierung“ der Funktion der „Première Dame“ wendet, fand innerhalb weniger Tage mehr als 280.000 Unterzeichner.

Es geht vor allem ums Geld. Immer wieder hatte Macron beteuert, dass Frankreich mit ihm als Präsidenten endlich das Maastricht-Kriterium einhalten werde: Die staatliche Neuverschuldung darf demnach den Wert von drei Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten. Ein Kassensturz nach seiner Wahl ergab, dass hierfür noch im laufenden Jahr Einsparungen in Höhe von vier Milliarden Euro nötig sind. Da der Präsident trotzdem Wort zu halten gedenkt, vergeht derzeit keine Woche ohne die Bekanntgabe neuer Sparmaßnahmen.

Macron lässt sich von den empörten Reaktionen auf die Budgetkürzungen nicht beeindrucken. So war der Generalstabschef der Streitkräfte, Pierre de Villiers, richtig sauer, weil der Verteidigungsetat um 850 Millionen Euro gekürzt werden sollte. Er hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg („Ich lasse mich doch nicht bescheißen!“) und ließ es zum Eklat kommen. Der Präsident bürstete den hoch dekorierten Offizier in aller Öffentlichkeit dermaßen brüsk ab, dass ihm nicht sehr viel anderes übrig blieb, als zurückzutreten.

Egal wo Macron den Rotstift ansetzt, es hagelt negative Schlagzeilen. Das Lamentieren der Lokalpolitiker über die Streichung von Millionensubventionen für die Gebietskörperschaften oder die Proteste gegen eine pauschale Fünf-Euro-Kürzung beim monatlichen Wohngeld für Geringverdiener sind zu Symbolen einer Politik geworden, die sogar das bürgerliche Nachrichtenmagazin „Le Point“ als „brutal“ anprangerte.

Dass konservative Präsidentschaftskandidaten wie Alain Juppé und François Fillon noch vor Kurzem mit ungleich schmerzhafteren Einschnitten drohten, scheinen die Medien verdrängt zu haben. Allerdings hat deren Macron-Schelte wohl auch damit zu tun, dass der Präsident ganz im Gegensatz zu seinen Vorgängern Journalisten kaum Interviews gibt. Presse, Radio und Fernsehen müssen sich mit dürren Kommuniqués des Präsidialamts begnügen. Macron bringt seine Botschaften lieber über die sozialen Netzwerke unter das Volk.