Berlin/Hannover.

Bernd Althusmann ist am Montag nur Zaungast. Als die Fraktionsvorsitzenden im Landtag in Hannover darüber verhandeln, wann in Niedersachsen die nächste Wahl stattfindet, darf der CDU-Politiker nicht dabei sein. Althusmann ist Landesvorsitzender seiner Partei, er ist Spitzenkandidat für die nächste Wahl, und er will nächster Ministerpräsident werden. Aber: Althusmann sitzt nicht im Landtag. An den wichtigen Entscheidungen dort ist er nicht beteiligt.

Der 50-jährige Politprofi taucht trotzdem im Landtag auf. Mit Aktenmappe unter dem Arm steht er am Montag in einem Nebengebäude und gibt Interviews. Es dürfe „kein Hickhack“ um den Wahltermin geben, mahnt Althusmann. Er wolle keinen Parteienstreit über ein Datum. Rechtlich müsse alles sauber ablaufen. „Aber Ziel muss es bleiben, jetzt zum Bundestagswahltermin zu kommen“, sagt er. Gewählt wird nun doch erst am 15. Oktober, aber Althusmann verkauft das Datum generös als „Kompromiss“.

Klare Ansagen, aber mit landesväterlicher Attitüde – mit diesem Rezept will der Hauptmann der Reserve in die Staatskanzlei einziehen. Die Chance, den amtierenden Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) abzulösen, war noch nie so günstig. Die jüngste Umfrage von Ende Mai bescheinigt der CDU einen Vorsprung von 14 Prozentpunkten. Die rot-grüne Koalition ist am Ende, seit eine Grünen-Abgeordnete zu den Konservativen übergelaufen ist. Regierungschef Weil muss sich mit dem Vorwurf herumärgern, dass seine Reden von VW korrigiert wurden.

„Fassungslos“ sei er über diese Nähe zum Autokonzern, behauptet Althusmann und blendet dabei aus, dass auch Weils Vorgänger, die CDU-Politiker David McAllister und Christian Wulff, die Nähe zu VW gesucht haben.

Althusmann hat das aus nächster Nähe mitverfolgt. Unter McAllister sitzt der gebürtige Oldenburger als Kultusminister im Landeskabinett, zu Zeiten von Wulff ist er Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion und erwirbt sich wegen seiner robusten Art den Spitznamen „Panzer“. Althusmann hat das achtjährige Turbo-Abitur eingeführt und die umstrittene Inklusion – beides bei Eltern nicht besonders beliebt. Als Kultusminister übersteht er 2011 eine Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit. Das sozialwissenschaftliche Werk, das von den Prüfern der Universität Potsdam 2007 im dritten Versuch die schlechtestmögliche Note bekommt, erfüllt kaum wissenschaftliche Standards. Althusmann kann den Titel aber behalten.

Das erste Mal wird er 1994 in den Landtag gewählt, mit 28 Jahren. 2013 erlebt er sein politisches Debakel: In seinem Wohnort Lüneburg unterliegt er der Konkurrentin von der SPD mit 2224 Stimmen Abstand. Die Landesliste der CDU, auf der Althusmann abgesichert ist, zieht nicht. Aus dem Ministeramt heraus ist er plötzlich arbeitslos. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung fängt ihn auf und bietet ihm einen Posten als Büroleiter in Namibia an. Mit seiner Frau, mit der er in zweiter Ehe verheiratet ist und eine Tochter hat, zieht Althusmann um.

„Gelassenheit“ habe er in Namibia gelernt, sagt Althusmann, und dass man in Deutschland „zum Überperfektionismus“ neige. Nach eigener Aussage hat ihm die Zeit am südlichen Ende Afrikas gefallen. Doch als seine Partei ihn Ende 2015 nach gut zwei Jahren Abwesenheit fragt, ob er zurückkommen will, denkt Althusmann nicht lange nach. Sein Haus in Lüneburg hat er nie verkauft, ein benachbarter Wahlkreis im Speckgürtel von Hamburg ist frei. Zusammen mit McAllister, der aus der gleichen Gegend kommt und noch Landesvorsitzender ist, organisiert Althusmann seine Rückkehr.

Offiziell ist der CDU-Politiker seit Juni 2016 als Berater bei einer Personalagentur in Hamburg angestellt und soll ein Büro in Hannover aufbauen, aber schon am 17. September 2016 wird er zum Spitzenkandidaten der CDU für die nächste Landtagswahl ausgerufen. An diesem Tag verschickt Althusmann seine ersten Twitter-Nachrichten, es ist eine Art Wiedergeburt als Politiker. Seitdem, so zeigen es die Tweets, tourt er von einer Parteiveranstaltung zur nächsten. „Ich habe eine große Leidenschaft für Politik“, sagt er.

Die CDU müsse „wieder konservativer“ werden, sagt Althusmann. Im Wahlkampf setzt er auf den Schwerpunkt Sicherheit und lässt sich mit Polizisten fotografieren. Schulpolitik, das Thema VW und der Bau von „Datenautobahnen“ sollen der CDU nun den Wahlsieg bringen. Regierungschef Weil mit der neuen Mehrheit im Landtag aus dem Amt drängen, das will Althusmann nicht. Aber er versichert: „Wir können jederzeit die Regierungsgeschäfte übernehmen.“