Berlin.

Der „D“-Day der Bundespolizei beginnt am 12. Juni Punkt Mitternacht. Einen Monat vor dem G20-Gipfel in Hamburg kontrollieren Beamte an allen deutschen Grenzen. Die 30-tägige Aktion – ab 11. Juli werden die Maßnahmen heruntergefahren – ist ein Erfolg. Die hohe Zahl an festgestellten Haftbefehlen „verdeutlicht den Bedarf an nationalen Fahndungs- und Kon­trollmaßnahmen“, sie stellten „einen erheblichen Sicherheitsgewinn für die Bundesrepublik Deutschland“ dar, heißt es im Abschlussbericht der Bundespolizei vom Ende Juli, der dieser Zeitung vorliegt. Politiker schmücken sich gern mit Erfolgen, zumal im Wahlkampf. Aber dieser Erfolg ist für Innenminister Thomas de Maizière (CDU) eine Bürde. Die Zahlen werden tiefer gehängt, eine fertige Pressemitteilung nie verteilt und erst recht nicht der Abschlussbericht.

Der Ertrag: Illegale Einreisen, Drogendelikte, Haftbefehle

De Maizière fürchtet die Debatte, die ihm sein bayerischer Amtskollege und Schattenmann Joachim Herrmann (CSU) beschert. Angesichts der zahlreichen Aufgriffe der Bundespolizei sei „offensichtlich“, dass der Schutz der EU-Außengrenzen nicht hinreichend funktioniere und es „weiterhin Kontrollen an den deutschen Grenzen“ geben müsse, sagte Herrmann dieser Zeitung. Er ist der Spitzenkandidat der CSU, in der CDU-Zentrale nennt man ihn hinter vorgehaltener Hand „die personifizierte Obergrenze“. Stellt die Union auch nach der Wahl am 24. September die Regierung, löst er womöglich de Maizière ab.

Sollte es zur Kurskorrektur kommen, dann lieferte ein Mann die Argumentationshilfe, der selten öffentlich auftritt und fast nie Interviews gibt: Dieter Romann, Präsident der Bundespolizei. Der 55-Jährige hat die Regierung zweimal davon überzeugt, für je einen Monat das Schengener Grenzabkommen auszusetzen, vor dem G7-Gipfel 2015 in Elmau und vor G20.

Von den 982.560 Kontrollen vor Hamburg hatten nur 765 einen Bezug zum Gipfel, lediglich 62 potenzielle Randalierer konnten abgewiesen werden. Spannender sind die anderen Aufgriffe: 4546 illegale Einreisen, 6125 Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht, 812 Drogendelikte und 782 Haftbefehle. Wenn die Bundespolizei mit dem Netz durch trübes Gewässer zieht, zappelt es:

21. Juni: An der Autobahn A8 an der deutsch-österreichischen Grenze wird ein Mann aus Bosnien gefasst, der wegen Totschlag gesucht wird.

25. Juni: Bei einem Mietwagen finden Beamte an der tschechischen Grenze 18 Trommelrevolver und 300 Patronen.

1. Juli: Die Polizei beschlagnahmt in einem polnischen Kleinlaster an der Grenze nach Holland 26 Kilogramm Marihuana, Haschisch, Amphetamine und Crystal Meth.

5. Juli: Im Kofferraum eines Autos von Holländern, das an der Bundesstraße 402 angehalten wird, entdeckt die Polizei ein Maschinengewehr des Typs Kalaschnikow und Munition.

7. Juli: In Hamburg erreichen die Krawalle einen neuen Höhepunkt – bei einem Amerikaner finden die Beamten zahlreiche Bilder, die Straftaten gegen Polizisten in Hamburg zeigen.

8. Juli: Während die Staats- und Regierungschefs die Hansestadt verlassen, stoppt die Polizei zwei Albaner und entdeckt in der Innenverkleidung ihres Autos 1,1 Kilo Kokain mit einem Marktwert von etwa 70.000 Euro.

Die Beispiele erhärten einen polizeilichen Erfahrungssatz: Sicherheit beginnt an der Grenze. Seit dem Schengener Abkommen von 1985 konzentriert sich die EU auf die Sicherung der Außengrenzen. Im Gegenzug verschwanden an den Binnengrenzen die Schlagbäume. Die Konstruktion ist bestechend, aber sie funktioniert zunehmend schlechter, am eklatantesten in der Flüchtlingskrise. Im Abschlussbericht der Bundespolizei heißt es, „die Ergebnisse der Grenzkontrollen belegen zudem, dass die Migration nach Deutschland und im Transit nach Deutschland anhält“. Schleuser haben mithin leichtes Spiel.

Herrmann weiß das. Der Freistaat hat eine lange Grenze nach Österreich, an der seit Ausbruch der Flüchtlingskrise – mit Ausnahmeregelungen – die Kontrollen wieder aufgenommen wurden. Vor allem hat er die Schleierfahndung ausgebaut: verdeckte, verdachtsunabhängige Kontrollen. Er meint, man brauche sie in ganz Deutschland, „um Kriminellen und Terroristen das Handwerk zu legen“. Nur in Berlin und Bremen gebe es diese Polizeimaßnahme nicht, eine „eklatante Sicherheitslücke“, die unbedingt geschlossen werden müsse. Herrmann will mehr Schleierfahndung: in den Grenzregionen, auf den Verkehrswegen von internationaler Bedeutung, im Umfeld von Flughäfen, Bahnhöfen, Rastanlagen, entlang der „Hauptrouten von illegaler Migration und internationaler Kriminalität“.