Rom.

SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz hat bei einem Besuch in Rom für mehr europäische Solidarität mit Italien und anderen EU-Ländern mit Außengrenzen in der Flüchtlingskrise geworben. „Es wäre fatal, wenn die Menschen in Italien den Eindruck hätten, dass in Europa nur dann gehandelt wird, wenn es gar nicht mehr anders geht“, sagte Schulz.

Der kommende Haushalt der Europäischen Union (EU) müsse ein Solidarpakt sein, sagte Schulz nach einem Treffen mit dem italienischen Regierungschef Paolo Gentiloni. Wenn es um Mittel für die Landwirtschaft gehe, heiße es, „Ja, bitte.“ „Wenn es um die Verteilung von Flüchtlingen geht, heißt es, ,Nein Danke‘“, kritisierte Schulz: „Wir werden in der Europäischen Union die Solidarität wieder zu einem Grundprinzip machen müssen.“ In Europa wollten sich die Sozialdemokraten außerdem für eine Regelung zur legalen Einwanderung und einen verbindlichen Umverteilungsmechanismus von Migranten einsetzen. Eine Situation wie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise in Europa 2015 dürfe sich nicht wiederholen.

Außerdem warb er für eine neue Afrikastrategie, um Fluchtursachen „nicht auf dem Papier, sondern praktisch und auch mit Geld“ anzupacken. Italien brauche aber auch schnell konkrete Hilfe. Vereinbart sei daher, dass Portugal unmittelbar und in einem freiwilligen Verfahren Flüchtlinge aus Italien aufnehmen könne.

Der SPD-Kanzlerkandidat reagierte sichtlich irritiert auf eine Frage nach seiner Entscheidung, die Flüchtlingsfrage zum Wahlkampfthema zu machen. In diesem Zusammenhang wies der ehemalige EU-Parlamentsvorsitzende auf sein seit 22 Jahren währendes europapolitisches Engagement in dieser Hinsicht hin.

Gentiloni betonte bei dem Treffen, Italien werde sich nicht damit abfinden, dass der Umgang mit Migranten dem Zufall in Form der geografischen Lage überlassen werde. „Es muss eine gemeinsame Aufgabe sein“, sagte er unter Hinweis auf die Bemühungen Italiens um Aufnahme von Flüchtlingen und um eine Stabilisierung Libyens.

Am Nachmittag besuchte Schulz eine Flüchtlingseinrichtung in Catania auf Sizilien. Italien ist derzeit Hauptankunftsland von Migranten aus Afrika in der Europäischen Union. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind in diesem Jahr bislang mehr als 110.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa gekommen. Mehr als 93.000 davon landeten an italienischen Häfen an. Die meisten starten die gefährliche Reise von Libyen aus, oft werden sie von Schleppern auf seeuntüchtige Boote gebracht.