Washington. Die Russland-Affäre lässt den US-Präsidenten und sein Umfeld nicht los. Hat er sich in finanzielle Abhängigkeit Moskauer Akteure begeben?

Wenn Donald Trump sauer ist, twittert er. Wenn Donald Trump supersauer ist, twittert er im Stundentakt. Allein am Sonnabend deckte Amerikas Präsident seine 34 Millionen Anhänger auf Twitter über zehn Mal mit kurzen, meist unleidlichen Botschaften ein. Thematischer Spitzenreiter: die Russland-Affäre. Sie begleitet Trumps Präsidentschaft seit Tag eins. Und sie kann in dieser Woche prekär werden. So prekär, dass der Präsident bereits ventilieren lässt, ob er am Ende Mitarbeiter, Mitglieder der Familie und – sich selbst begnadigen kann, um einer Anklage zu entgehen. Das berichtet die „Washington Post“ und beruft sich auf Quellen im Weißen Haus.

Im Moment gebe es zwar keine Veranlassung, darüber „nachzudenken“, meint Trump. Allerdings seien sich „alle einig, dass der US-Präsident die vollständige Macht zu begnadigen hat“. Von Einigkeit kann keine Rede sein. Viele Rechtsgelehrte warnen vor einem „beispiellosen Angriff auf die Verfassung“. Noch nie in der Geschichte habe sich ein US-Präsident derart über die Gesetze stellen wollen. Weil es aber keine höchstrichterlichen Urteile gebe und Trump für Aktionen außerhalb der Norm bekannt sei, könne man nicht ausschließen, dass der Geschäftsmann im Fortgang der Affäre zu diesem Mittel greift, schrieb der Jura-Professor Richard Primus aus Michigan.

Trumps präventive Gedankenspiele ergeben sich aus einer explosiven Gemengelage. Die vom ehemaligen Chef der Bundespolizei FBI, Robert Mueller, geleiteten Ermittlungen in der Frage, ob Team Trump mit Getreuen aus dem Umfeld von Russlands Präsident Wladimir Putin im Wahlkampf 2016 illegal gemeinsame Sache gemacht hat, weiten sich derart aus, dass Trump um sein „Allerheiligstes“ fürchtet: seine wahren finanziellen Verhältnisse. Sprich: seine Steuererklärung. Sie würde zweifelsfrei darüber Auskunft geben, ob sich der Präsident möglicherweise in finanzieller Abhängigkeit zu russischen Akteuren befindet und erpressbar wäre. Er selber streitet das vehement ab.

Detaillierte Auskunftsbegehren der Experten für Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche um Mueller haben unter Trumps Anwälten Alarmglocken ausgelöst. Darum Trumps wütende Attacken gegen Justizminister Jeff Sessions. Der hatte sich in der Causa Russland für befangen erklärt und Mueller damit erst möglich gemacht. Darum die Drohung Trumps, Mueller absetzen zu lassen, falls dieser seinen (de facto unbegrenzten) Untersuchungsauftrag nicht einengt. Darum die Andeutung Trumps, dem Sonderermittler Voreingenommenheit zu bescheinigen. Etwa durch den Verweis darauf, dass Mitarbeiter Muellers im Wahlkampf für die demokratische Kandidatin Hillary Clinton Geld gespendet hatten.

Und die Russland-Affäre zieht immer neue Kreise. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, Trumps ältester Sohn Donald Jr. und der frühere Wahlkampfkoordinator Paul Manafort sollen in dieser Woche vor Senatsausschüssen hinter verschlossenen Türen Rechenschaft über ihr Treffen im Juni 2016 mit der Kreml-nahen Anwältin Natalia Weselnizkaja und anderen russischen Akteuren Auskunft geben. Trump Jr. hatte nach eigenen Worten dem Treffen zugestimmt, weil ihm „belastendes Material“ über Clinton versprochen wurde. Riecht nach „Landesverrat“, sagen die Demokraten. „Normale Recherche gegen die Opposition“, findet Präsident Trump.

Damit nicht genug. Justizminister Sessions steht plötzlich unter akutem Lügenverdacht. Von US-Geheimdiensten abgehörte Gespräche des just abberufenen russischen US-Botschafters Sergej Kisljak mit ihm sollen belegen, dass Sessions – anders als von ihm unter Eid bekräftigt – mit dem Kreml-Gesandten sehr wohl über sensible politische Fragen des russisch-amerikanischen Verhältnisses diskutiert hatte. In einem ähnlich Fall musste der frühere Nationale Sicherheitsberater Trumps, Ex-General Michael Flynn, dafür bereits seinen Hut nehmen.