Berlin. Bundespräsident Steinmeier für „deutliche Halt-Signale“ gegenüber Erdogan

Im Streit mit der türkischen Führung unter Staatschef Recep Tayyip Erdogan suchen deutsche Politiker nach Möglichkeiten, auch finanziellen Druck auszuüben. SPD-Chef Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer forderten am Wochenende, die Finanzhilfen im Zusammenhang mit den EU-Beitrittsverhandlungen einzufrieren.

Die Vor-Beitrittsmittel fließen von der EU zur Anpassung der rechtsstaatlichen, sozialen und wirtschaftlichen Standards in die Türkei. Bis zum Jahr 2020 sind dafür rund 4,45 Milliarden Euro vorgesehen. „Ich bin der Meinung, dass man die einfrieren sollte“, sagte SPD-Chef Schulz dem Deutschlandfunk. „Das sind konkrete Maßnahmen, die man sofort ergreifen kann.“ Ähnlich äußerte sich Seehofer, der darüber hinaus eine Reisewarnung ins Gespräch brachte. „Auf jeden Fall ist für mich klar, dass sich eine EU-Vollmitgliedschaft endgültig erledigt hat.“

Allerdings lassen sich die Vor-Beitrittsmittel nur eingeschränkt nutzen, um Druck auszuüben. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete unter Berufung auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, die EU könne die Hilfen nur dann komplett aussetzen, wenn sie auch die Beitrittsverhandlungen aussetze oder endgültig abbreche. Sie könne aber mit „Einzelfallentscheidungen“ Projekte „innerhalb der einzelnen Programme suspendieren“. Laut Gutachten seien 215,3 Millionen Euro vertraglich gebunden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte es eine Frage der Selbstachtung, „deutliche Halt-Signale“ an Erdogan zu senden. Steinmeier warf Erdogan in einem ZDF-Interview vor, dieser versuche, das Land auf sich zuzuschneiden: „Viele, die auch in diesem Staat kooperativ, auch mit ihm und seiner Partei, in den letzten Jahren gearbeitet haben, werden jetzt verfolgt, werden ins Gefängnis gesteckt, werden mundtot gemacht.“

Aus der EU-Kommission gab es Unterstützung für den Kurs der Bundesregierung. „Die Reaktion Deutschlands ist verständlich“, sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn der „Welt“.

Das Verhältnis zwischen den Regierungen beider Länder wird durch die Festnahme von Bundesbürgern in der Türkei und Drohungen gegen deutsche Unternehmen belastet.