Washington.

Seine Vorgänger haben zum gleichen Zeitpunkt meist euphorisch Zwischenbilanz gezogen und den Blick voller Optimismus in die Zukunft gerichtet. Nicht so Donald Trump. Gebeutelt von der nicht enden wollenden Russland-Affäre, hat Amerikas Präsident sechs Monate nach Amtsantritt in einem Rundumschlag amtierende und ehemalige Spitzen der US-Justiz und der Bundespolizei FBI attackiert.

Gegenüber dem Kongress, der trotz republikanischer Mehrheit die Reform der Krankenversicherung nicht hinbekommt, verschärfte Trump die Gangart. Er drohte indirekt damit, die Wiederwahl von Senatoren wie Dean Heller (Nevada) zu torpedieren, die sich ihm in den Weg stellen. Trump würde über Mittelsmänner Gegenkandidaten fördern.

In einem Interview mit der „New York Times“ bekam Justizminister Jeff Sessions von Trumps Frustration über schlechte Umfragewerte und stockende Gesetzgebungsverfahren am meisten ab. Dass sich der im Wahlkampf treueste Unterstützer Trumps in der Causa Russland im Frühjahr für befangen erklärte und damit den Weg für die Einsetzung des Sonderermittlers Robert Mueller freigemacht hat, empfindet der Präsident bis heute als „extrem unfair“. Hätte Sessions ihm vor der Ernennung den Rückzug in Aussicht gestellt, sagte Trump, wäre der Senator aus Alabama nie Justizminister geworden. Trumps Nachkarten kommt einer Demontage und Erniedrigung gleich. „Wie will Sessions jetzt noch zum Dienst erscheinen?“, fragten Analysten im US-Fernsehen. Um nicht völlig das Gesicht zu verlieren, müsse er zurücktreten. Sessions denkt aber nicht dran. „Ich will weitermachen, solange es angemessen ist“, sagte er gestern.

Trump ging in seiner Kritik an den Spitzen der für die nationale Sicherheit verantwortlichen Apparate noch weiter. Er unterstellte den amtierenden Interim-Chefs von FBI (Andrew McCabe) und Justizministerium (Rod Rosenstein) Interessenkonflikte und Befangenheit. Und er drohte Sonderermittler Mueller indirekt mit Absetzung, sollte er seinen Untersuchungsauftrag über das Thema Russland hinaus auf die finanziellen Verhältnisse des Trump-Imperiums ausdehnen.

Beobachter in Washington sehen darin den Schlüssel zur Frage, warum Trump gegenüber Moskau eine Politik der Nachsicht fährt. Es besteht seit Langem die Vermutung, dass Trump bei russischen Oligarchen finanziell in der Schuld steht. Letztlich kann darüber nur die Steuererklärung Auskunft geben. Trump hält sie hartnäckig unter Verschluss. Um Muellers Glaubwürdigkeit zusätzlich zu erschüttern, sagte Trump, dass dieser unmittelbar vor der Einsetzung als Sonderermittler persönlich Interesse bekundet habe, die Nachfolge des (von Trump) geschassten FBI-Chefs James Comey anzutreten.

Trumps Breitbandattacke wird von der demokratischen Opposition als Versuch gewertet, „von drohenden Negativschlagzeilen in der Russland-Affäre abzulenken“. In der nächsten Woche werden Trumps Sohn Donald Jr., sein Schwiegersohn Jared Kushner und sein ehemaliger Wahlkampfchef Paul Manafort im Kongress „gegrillt“. Sie sollen Auskunft über ein Gespräch mit kreml-nahen, russischen Akteuren wie der Anwältin Natalia Weselnizkaja geben, die im Sommer 2016 belastendes Material gegen Trumps demokratische Konkurrentin Hillary Clinton angeboten haben soll. Trump streitet jede Verwicklung in anrüchige Machenschaften ab.

Dazu gehört auch das jüngst bekannt gewordene zweite Gespräch mit Präsident Putin während des G20-Gipfels in Hamburg. 15 Minuten Smalltalk und „Nettigkeiten“, viel mehr sei nicht gewesen, sagte Trump. Ausnahme: Adoptionen. Russland hat als Antwort auf Sanktionen des US-Kongresses amerikanischen Paaren die Möglichkeit genommen, russische Waisenkinder zu adoptieren. Darüber habe man „kurz“ gesprochen, sagte Trump. Belege dafür gibt es allenfalls auf russischer Seite. Trump hatte keinen eigenen Dolmetscher dabei. Unterdessen berichtet die „Washington Post“, dass Trump verfügt hat, ein verdecktes CIA-Ausbildungsprogramm für syrische Kämpfer gegen Diktator Assad einzustellen – wie von Russland seit Langem gewünscht.

Innenpolitisch kämpft Trump weiter um einen Durchbruch bei der Gesundheitsreform. Nachdem ein erneuter Anlauf im Kongress an den heillos zerstrittenen Republikanern gescheitert war, rief Trump die Senatoren dazu auf, ihre Sommerpause zu stornieren. „Wir sollten die Stadt nicht verlassen“, sagte Trump, „bis ein Ersatz“ gefunden ist. Die Aussichten dafür stehen schlecht. Nach Kalkulation der parteiunabhängigen Rechnungsprüfer im Kongress würde die Abschaffung des Modells seines Vorgängers („Obamacare“) 32 Millionen Amerikaner ihres Versicherungsschutzes berauben. Mindestens vier Senatoren haben bereits erklärt, sich diesem Vorgehen zu widersetzen. Damit fehlen den Republikanern bislang die nötigen Stimmen.

Ein – auch symbolisch – wichtiges Votum fällt sowieso flach. John McCain, Präsidentschaftskandidat 2008, profiliertester Außenpolitiker der Republikaner und schärfster Kritiker Trumps, fällt bis auf Weiteres aus. Bei dem 80-Jährigen wurde ein bösartiger Hirntumor entfernt. Er muss sich einer umfangreichen Therapie unterziehen. Alle führenden US-Politiker zeigten sich betroffen. Die nachdrücklichsten Wünsche kamen von Ex-Präsident Barack Obama. Er nannte seinen ehemaligen Kontrahenten „einen der mutigsten Kämpfer, die ich je gekannt habe“. Der Krebs wisse nicht, mit wem er es zu tun bekomme, schrieb Obama auf Twitter und löste eine Welle der Anteilnahme aus.