Brüssel.

Der Vorname des jeweils anderen geht ihnen flüssig über die Lippen, und auch sonst sind Michel Barnier und David Davis um Verbindlichkeit bemüht. Aber in der Sache kommen die beiden Brexit-Chefunterhändler einander nicht näher. Zwei Runden haben die Kontrahenten jetzt hinter sich, einen kurzen Auftakt Mitte Juni, eine (fast) volle Arbeitswoche jetzt. Doch der ganze Fortschritt besteht in der gemeinsamen Erkenntnis, dass es jetzt langsam einen solchen geben müsste.

„In der ersten Runde ging es um Organisation, diese Woche war die Zeit der Präsentation“, sagt Barnier bei der Pressekonferenz mit Davis nach Ende der Gespräche. „Die dritte Runde muss Klarheit bringen. Die brauchen wir bei der finanziellen Regelung, bei den Bürgerrechten, in der Irlandfrage und bei sonstigen Problemen der Trennung.“ Mit anderen Worten: In Brüssel ist man irritiert, dass die Regierung in London sich so viel Zeit lässt, ihre Positionen auszubuchstabieren.

Denn Zeit ist die kostbarste Ressource dieses komplizierten Scheidungsprozesses, dessen Schlussdatum feststeht. Ende März 2019 verlässt das Vereinigte Königreich die Europäische Union – mit einem sauberen Vertrag oder ohne. „Wir wollen ein geordnetes Verfahren“, betont Barnier. Und setzt jedes Mal: „Die Uhr tickt.“ Denn in Brüssel geht die Sorge um, die angeschlagene Premierministerin Theresa May sei vor dem Parteitag ihrer Tories Anfang Oktober kaum handlungsfähig – und danach womöglich nicht mehr Premierministerin.

„Wir stecken immer noch in der Vorlaufphase“, heißt es im Team Barnier. Das gilt besonders für die Abschlussrechnung. Dass es eine solche geben soll, einen Saldo aus britischen Verpflichtungen und Ansprüchen aus der EU-Mitgliedschaft, hat London grundsätzlich zugestanden. Die EU-Seite hat auch bereits detailliert aufgelistet, welche Verpflichtungen Großbritannien eingegangen sei und nach dem Ausscheiden weiter honorieren müsste. Das gilt etwa für den Anteil an mehrjährigen Förderprogrammen oder für Pensionen von EU-Bediensteten. Beziffert sind die einzelnen Posten noch nicht. Erst müsse man sich über „die Methodologie“ (Barnier) verständigen, also darüber, was jeweils auf der Soll- und Habenseite aufgeführt werden kann. Dazu liegt aus London nichts vor.

Eine genauere Position hat die Regierung May bislang lediglich zu den Rechten präsentiert, die rund 3,2 Millionen EU-Ausländer auf den britischen Inseln und eine Million Briten auf dem Kontinent künftig haben sollen. Barnier ist nicht einverstanden. Die EU steht auf dem Standpunkt, wer jetzt in Großbritannien lebt oder vor dem Brexit dorthin ziehe, müsse sämtliche zuvor geltenden Ansprüche behalten. Zuständig für Streitfälle solle weiterhin der Europäische Gerichtshof in Luxemburg sein. Die britischen Brexit-Anhänger empfinden hingegen den EuGH als Element der Fremdbestimmung und wollen ihn unbedingt loswerden.

Auch in diesem Punkt gab es keine Annäherung. Barnier bestätigt, hier gebe es „fundamentale Differenzen“. Die Zuständigkeit des EU-Gerichts sei keine politische Forderung, sondern eine juristische Tatsache: „Nur der Europäische Gerichtshof kann europäisches Recht auslegen!“