Berlin. Die Krankenhaus-Versorgung für betagte Patienten ist „nicht optimal“, beklagt ein neuer Report der Barmer

Operation gelungen, Patient Pflegefall: Wenn alte Menschen ins Krankenhaus müssen, kann das schnell dramatische Folgen haben. Nach der Operation eines Oberschenkelhalsbruchs etwa wird nach Expertenschätzung jeder Vierte dauerhaft pflegebedürftig. „Je älter wir werden, desto schwerer kommen wir nach einem Krankenhausaufenthalt wieder auf die Beine“, sagte am Mittwoch auch der Vorstandschef der Krankenkasse Barmer, Christoph Straub.

Aber tun die Krankenhäuser auch genug? Die Barmer schlägt in ihrem neuen Krankenhausreport jetzt Alarm: Senioren würden in deutschen Kliniken „nicht optimal versorgt“.

Dabei wird der Druck immer größer: Wegen der Alterung der Gesellschaft liegen immer mehr betagte, mehrfach kranke Patienten im Krankenhaus – 2006 betrug ihre Zahl noch 1,1 Millionen, bis 2015 hat sie sich auf zwei Millionen fast verdoppelt. Und dies sei erst der Anfang, erklärt Straub. Die Generation 70 plus werde bis 2050 um fast die Hälfte anwachsen.

Heikle Aussichten: Krankenhausaufenthalte sind schon für Jüngere stressig, für alte Menschen aber werden sie schnell zur großen Belastung. Unbekannte Umgebung, anderes Essen, der Verlust aller gewohnten Strukturen – das führt in vielen Fällen zu Verwirrung. Und wenn alte Menschen ihre täglichen Aufgaben verlieren, geht auch schnell der Anreiz verloren, sich fit zu halten. Vor allem aber haben die betagten Patienten oft nicht mehr die Reserven, um die Belastungen wegzustecken.

Die Zahl der Betten in Geriatrie-Abteilungen wächst

Der Krankenhausreport enthält für Betroffene eine klare Botschaft: Geriatriepatienten sollten sich möglichst in größeren Krankenhäusern mit mehreren Fachabteilungen behandeln lassen. „Dort haben sie bessere Chancen, wieder auf die Beine zu kommen, um noch lange in ihren eigenen vier Wänden leben zu können“, sagt der Autor des Krankenhausreports, Boris Augurzky.

Sein Bericht belegt das am Beispiel der klassischen Diagnose Oberschenkelhalsbruch, eine der häufigsten Gründe für die Klinikeinweisung von hochbetagten Patienten: Demnach sind Kliniken mit mindestens fünf Fachabteilungen bei der Versorgung dieser Fälle tendenziell erfolgreicher – das Risiko, im Anschluss an ein Pflegeheim überwiesen zu werden, sei in einer großen Klinik um sechs Prozentpunkte geringer als in einer kleineren. Mehrere Fachdisziplinen gewährleisten, so der Report, eine ganzheitlichere Sicht bei der Behandlung des Patienten.

Spezielle geriatrische Abteilungen, die auf die besonderen Bedürfnisse mehrfach erkrankter Senioren eingestellt sind, gibt es allerdings nur in etwa jedem fünften Krankenhaus – vergleichsweise gut ist die Versorgung in Hamburg und Berlin, besonders wenige solcher Abteilungen gibt es etwa in Niedersachsen und Sachsen. Der Krankenhausreport betont indes, die Zahl der Betten in den Fachabteilungen sei innerhalb von zehn Jahren um die Hälfte gestiegen – und 99,5 Prozent der Gesamtbevölkerung erreichten ein Krankenhaus mit Geriatrie-Abteilung innerhalb von 30 Minuten.

Die Barmer stört etwas anderes: Viele der über 70-Jährigen blieben nach einem Akutfall für eine spezielle Krankenhaus-Reha in der Klinik, obwohl sie dort ein etwas höheres Pflegefallrisiko hätten als bei einer herkömmlichen Reha. Auffallend häufig dauere die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (GFKB) zwei Wochen – das ist die Mindestdauer, ab der die Kliniken die volle Pauschale für
diese Reha abrechnen können. Die
Kassen kritisieren das auch aus finanziellem Interesse: Schließlich sind solche Behandlungen teurer als eine klassische Rehabilitation. „Die Dauer der Behandlung sollte sich stärker am
individuellen Bedarf des Patienten und an medizinischen Kriterien orientieren“, fordert Barmer-Chef Christoph Straub.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft widersprach der Kritik an der Krankenhaus-Reha für Senioren umgehend: Die wohnortnahe Versorgung alter Menschen müsse dringend gewährleistet sein, sonst leide der für die Genesung wichtige soziale Kontakt. Und: Hochbetagte benötigten gerade bei der Wundheilung den besonderen Hintergrund des Krankenhauses.

Der Krankenhausreport enthält auch jenseits der Altenmedizin interessante Daten: So geht die Verweildauer der Patienten im Krankenhaus weiter zurück – auf jetzt durchschnittlich 7,59 Tage pro Behandlung, einen Tag weniger als noch vor zehn Jahren. Menschen mit psychischen Erkrankungen liegen dagegen zunehmend länger in der Klinik, die Aufenthaltsdauer beträgt durchschnittlich 23,6 Tage. Häufigste Diagnose bei der Klinikeinweisung: Herzschwäche, Vorhofflimmern – und auf Platz drei psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol.