Berlin. Darunter soll auch die vermisste 16 Jahre alte Linda W. aus Sachsen sein, gegen die in Dresden bereits ein Strafverfahren läuft

Die Behörden in Deutschland prüfen Berichte, wonach im irakischen Mossul fünf deutsche Anhängerinnen der Extremistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) festgenommen wurden. Darunter könnte sich eine 16-Jährige aus Sachsen befinden, gegen die bei der Dresdner Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren läuft. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Dienstag, zu den angeblich in Mossul inhaftierten Frauen mit deutschem Pass lägen noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Das Ministerium stehe mit den irakischen Behörden in Kontakt und sei bemüht, rasch substanzielle Auskünfte zu den Personen zu erhalten. „Wenn es sich tatsächlich um deutsche Staatsangehörige handeln sollte, so wird ihnen konsularischer Beistand angeboten werden.“

Der Dresdner Oberstaatsanwalt Lorenz Haase sagte, es gebe Hinweise, dass es sich bei einem aufgegriffenen Mädchen um Linda W. aus Pulsnitz bei Dresden handele. Gegen die 16-Jährige läuft ein Verfahren wegen des Verdachts der Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. W. sei vor etwa einem Jahr in die Türkei ausgereist, wohl mit dem Ziel, nach Syrien oder in den Irak zu gehen, sagte Haase. Ihre Spur habe sich aber verloren, das Verfahren sei wegen unbekannten Aufenthalts eingestellt worden.

930 deutsche Islamistennach Irak und Syrien gereist

Die „Welt“ hatte unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, fünf deutsche Frauen seien bei einer Militäroperation der irakischen Streitkräfte festgenommen worden. Offenbar gehörten sie zu 20 aufgegriffenen Frauen, die sich dem IS angeschlossen haben sollen. Außer aus Deutschland stammten sie aus Russland, der Türkei, Kanada, dem Kaukasus, Libyen und Syrien. Sie hätten sich in einem Tunnelsystem in der Altstadt von Mossul versteckt gehabt. Auch Waffen und Sprengstoffgürtel sollen gefunden worden sein. Linda W. sei kurz vor ihrem Verschwinden im Sommer 2016 zum Islam konvertiert und habe über Internet-Chats mit IS-Anhängern in Kontakt gestanden. Nach Angaben der irakischen Armee sind unter den festgenommenen IS-Anhängerinnen allerdings keine Minderjährigen. Alle Frauen seien älter als 30 Jahre, sagte ein Offizier der irakischen Anti-Terror-Einheiten. Bei ihnen handele es sich um Kämpferinnen, die andere ausgebildet und für die IS-Polizei gearbeitet hätten. Sie seien über die syrische Stadt al-Rakka nach Mossul gekommen und würden weiter befragt.

Nach Angaben des Verfassungsschutzes sind in den vergangenen Jahren rund 930 Islamisten aus Deutschland in den Irak und nach Syrien gereist. 20 Prozent davon seien Frauen, fünf Prozent von ihnen seien Minderjährige. Etwa ein Drittel der ausgereisten Dschihadisten soll wieder zurückgekehrt sein, rund 150 gelten inzwischen als tot.

Dem IS und anderen dschihadistischen Gruppen haben sich in den Bürgerkriegsländern Syrien, Irak und Libyen Tausende Kämpfer aus zahlreichen Ländern angeschlossen. Besonders häufig kommen sie aus Tunesien oder Saudi-Arabien. Nach Schätzungen amerikanischer Denkfabriken kämpften zeitweise zwischen 6000 und 7000 tunesische Dschihadisten im Ausland.

Auch zahlreiche Extremisten aus Ex-Sowjetrepubliken haben den Weg zu extremistischen Gruppen im Nahen Osten gefunden, vor allem zum IS in Syrien und im Irak. Zwischen 6000 und 10.000 Männer sollen es Schätzungen zufolge sein. Bis zu 1500 Ausländer monatlich sollen sich in der Vergangenheit dem IS in Syrien und im Irak angeschlossen haben.

Zuletzt hat der Strom jedoch deutlich abgenommen und gleicht nach Einschätzung der internationalen Anti-IS-Koalition nur noch einem „Rinnsal“. Vor allem weil die Türkei ihre Grenze geschlossen hat, ist der Weg für ausländische Dschihadisten in die beiden Länder schwer.