Berlin. Kein anderer Bereich der Bundeswehr wurde so rasch auf Vordermann gebracht wie die Rüstungsbeschaffung

Gerade haben die Spezialkräfte einen Hubschrauber erhalten. Es war bereits die fünfzehnte Maschine. Beschafft hat die Bundeswehr in den vergangenen vier Jahren aber auch 1800 Militärfahrzeuge, neue Kampfanzüge, 70.000 Paar Schuhe, etliche Maschinengewehre, 74 Millionen Schuss Munition und Funkgeräte. Es sind mithin die kleinen Posten – weniger die Großinvestitionen – die der Truppe das Gefühl vermitteln, dass sie Parlament und Dienstherrin, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), lieb und teuer sind.

38.000 Kaufverträge in vier Jahren abgeschlossen

Vereinzelt erhält Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder Dankesbriefe und nicht bloß Beschwerden über fehlendes Material. 38.000 Kaufverträge wurden in den vergangenen vier Jahren abgeschlossen. Wenn die Militärs aus allen Rohren schießen, dann momentan mehr mit Geldscheinen als mit Munition. In den vergangenen zwei Jahren hat das Verteidigungsministerium alle Etatmittel ausgeschöpft. Das klingt selbstverständlich, war es aber nicht.

Kein anderer Bereich in der Bundeswehr hat sich unter von der Leyen so schnell und so radikal verändert wie die Beschaffung. Keiner steht so sehr für die neue (Unternehmens-) Philosophie wie die 45-jährige Suder, eine frühere McKinsey Managerin, die von der Leyen im August 2014 holte.

Zuvor hatte die Truppe beharrlich negative Schlagzeilen gemacht, weil das Material zu spät kam, zu teuer und zu mangelhaft war. Oder alles zusammen. Wie beim Transportflugzeug A400M. Niemand weiß, ob den aktuellen Projekten wirklich ein besseres Schicksal beschieden sein wird. Großbeschaffungen haben eine so lange Laufzeit – zehn, 15 Jahre oder länger –, dass Suder und erst recht die Ministerin nicht mehr im Amt sein werden, wenn irgendwann der Ernstfall eintritt: die Praxiseinführung.

Fakt ist, dass von der Leyen bereits Anfang Januar angekündigt hat, in den kommenden 15 Jahren 130 Milliarden Euro in militärische Ausrüstung zu investieren. Fakt ist auch, dass die Bundesregierung auch auf Druck der USA ernsthaft das Ziel angeht, seine Nato-Verpflichtung einzulösen und bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, davon mindestens 20 Prozent für Ausrüstung. Momentan betragen die Gesamtausgaben 1,2 Prozent des BIP. Um das gar nicht mehr so ferne Ziel zu erreichen, müsste der Bundestag für die Verteidigung statt der heutigen 37 Milliarden Euro etwa 60 bis 70 Milliarden Euro im Jahr 2024 bewilligen. Ein unglaublicher Anstieg, der allen Beteiligten viel abverlangen wird: Die Industrie muss Kapazitäten hochfahren, der Bundestag am Fließband 25-Millionen-Euro-Vorlagen genehmigen, das Ministerium die Anstrengungen verdoppeln. Die Bedrohungssituation wird spätestens seit der Ukraine-Krise ernster eingestuft, und die Steuerquellen fließen. Das heißt: Man glaubt, investieren zu müssen. Und kann es auch.

Zu jedem Projekt wird eine „Lead Nation“ benannt

Dass mehr Geld da ist, hat Suder unfassbar den Job erleichtert. Jahrelang hat die Bundeswehr nicht gekauft, was sie brauchte, sondern, was sie sich leisten konnte. Nach dem Prinzip hätte man sich zuletzt wohl nur fünf Korvetten geleistet. Es wurden aber 15 Korvetten gebraucht und in Auftrag gegeben.

Suder hat allerdings nicht nur Klarheit über den Bedarf geschaffen, sondern auch das Verhältnis zur Industrie neu justiert – härtere Verträge, mehr Kontrollen. Die Industrie stöhnt. Zumal sich das Ministerium auch ehrlich Gedanken darüber gemacht hat, was aus nationalen strategischen Gründen ausschließlich in Deutschland, von den heimischen Waffenschmieden, hergestellt werden soll, die sogenannten Schlüsseltechnologien. Es sind nicht viele, Cyber und U-Boote gehören dazu. Das heißt im Umkehrschluss, dass vieles nicht in Deutschland gekauft werden muss oder nur noch im europäischen Verbund zu leisten ist, ein U-Boot mit Norwegen, eine Drohne mit Frankreich. Die Leitidee ist, dass Industrieaufträge nach Kompetenzen vergeben werden (und nicht wie beim A400, wo Jobs gesichert werden) und zu jedem Projekt eine „Lead Nation“ benannt wird, ein federführender Staat. Das alles dient dazu, die Beschaffung besser, schneller abzuwickeln. Wie überhaupt „Schnelligkeit“ in Suders Management eine zentrale Rolle spielt; so spricht sie auch, wie im Schnelllauf.

Die Industrie hält nicht Schritt. Vielleicht fehlt ihr auch der Glaube, dass Suders Erfolgsbilanzen, die Reformen, die das Ministerium in diesen Tagen ins Schaufenster stellt, von Bestand sind. Was wird bleiben, was ist nachhaltig, ja unumkehrbar? Das sind Fragen, die Suder umtreiben, gerade, weil sie aus ihrer Zeit in der Wirtschaft weiß, dass man jede neue Struktur in drei, vier Jahren kaputt kriegt. Andererseits: Die Verträge, die sie zu verantworten hat, gelten. Und dann ist da noch etwas, was sie in der Bundeswehr kennen und zu schätzen gelernt hat: den Erlass. Wenn etwas auf dem Papier steht, wird es erledigt. Und Katrin Suder hat für jede Menge Papiere gesorgt.