Berlin.

Christian Lindner lächelt nicht. Er schaut bohrend, ungeduldig, lauernd. Auf einem Plakat blickt er sogar beiseite, als hätte er Besseres zu tun, als in die Kamera zu gucken. Es sind Bilder wie man sie von Plattencovern kennt, von Musikern, die cool wirken wollen, mit Dreitagebart, Stirnfaltern und unterkühlter Schwarz-Weiß-Optik. Wer sie anschaut, sieht sofort: Die Inszenierung des 38-jährigen FDP-Chefs als scheinbar unverbrauchter Typ, der gegen Trägheit und Denkfaulheit streitet, geht weiter. Was im Wahlkampf von Nordrhein-Westfalen erfolgreich war, soll jetzt im ganzen Land ziehen. Die Plakatkampagne, die die FDP nach vier Jahren zurück in den Bundestag tragen soll, setzt ganz auf Lindner, den Spitzenkandidaten.

Ungewöhnlich ist das nicht. Auch CDU und SPD werden mit Angela Merkel und Martin Schulz werben. Doch die FDP hat für die Kampagne eigens Olaf Heine engagiert, einen internationalen Pop-Fotografen, der normalerweise Bands wie „Die Ärzte“ oder „Rammstein“ in Szene setzt. Den FDP-Star Lindner zeigt Heine als Mann, der weiß, dass er auf Plakaten nicht entspannt oder siegessicher gucken darf, sondern genervt, ungeduldig und entschlossen dreinblicken muss. Die Hoffnung dahinter: Dass sich alle diejenigen angesprochen fühlen, die genauso ungeduldig auf einen Politikwechsel warten, auf das Ende der großen Koalition und mehr liberalen Einfluss in der Bundespolitik. In den letzten Umfragen waren es immerhin durchgängig mehr als acht Prozent der Wähler, sogar eine schwarz-gelbe Koalition erscheint wieder greifbar nahe.

„Für die Mittelschicht und den Mittelstand“ wolle er Politik machen, sagt Lindner am Montagmorgen, bevor er die Plakatmotive vorstellt. Und weil er nur zu gut weiß, dass auch Union, SPD und Grüne im Bundestagswahlkampf ausdrücklich um die Mitte der Gesellschaft buhlen werden, versucht der Parteichef die Liberalen als die besseren, mutigeren und moderneren Mitte-Kümmerer zu positionieren: „Denken wir neu“ ist das Motto der Kampagne. Doch soll keiner sagen, die Liberalen hätten dafür nur ihren talentierten Frontmann. Auf jedem der Plakate argumentiert die Partei ausführlich, warum der Wähler sein Kreuz bei der FDP machen soll. Auf einem ist sogar das komplette Wahlprogramm abgedruckt.

So viel Text auf Plakaten – das sei „ein unfassbarer Regelbruch“ frohlockt Bundesgeschäftsführer Marco Buschmann am Montag. Doch was bringt er? Mancher Wähler könnte die Kampagne auch als unfassbare Zumutung empfinden, so klein ist der Text gedruckt – und so wenig konkret sind die Vorschläge. An einer Stelle driftet die Kampagne sogar unfreiwillig ins Absurde: „Manchmal muss ein ganzes Land vom 10er springen“, erklärt ein finster dreinblickender Lindner auf einem der Plakate dem Betrachter. Was er sagen will, ist: Es soll ein Ruck durchs Land gehen. Doch das Bild kann man auch anders deuten: Das Land springt – und geht baden.

Sie liebäugeln mit der Union, legen sich aber nicht fest

Einen anderen Fehler dagegen vermeidet Lindner auch an diesem Montag: Er liebäugelt zwar mit der Union, legt sich aber weder auf einen Koalitionspartner fest, noch bestätigt er, was viele für sicher halten – dass die FDP-Spitze längst über die Aufgabenverteilung nach der Bundestagswahl spricht. „Wir verteilen jetzt keine Posten.“ Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass Lindner selbst bei einer Regierungsbeteiligung kein Ministeramt anstrebt, sondern die FDP-Fraktion führen wird. Schon deshalb, weil er sich so den größten Einfluss und die größte Kontrolle verspricht. Chaos und Kontrollverlust wie am Ende der letzten Koalition mit der Union soll es nicht wieder geben.