Moskau/Berlin.

Swetlana Lukasch ist blond, trägt ein dunkelgraues Kostüm und lacht überaus viel. Die 40-Jährige arbeitet dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als Sherpa für den G20-Gipfel am kommenden Freitag und Sonnabend in Hamburg zu. Als Chef-Verhandlerin feilscht sie in diesen Tagen mit ihren Kollegen bereits am Entwurf des Schlusskommuniqués, das wichtige Aussagen zur Klima-, Handels- und Flüchtlingspolitik enthalten soll.

Moskaus Positionen sind klar: „Russland hat nicht vor, den Pariser Klimavertrag zu verlassen oder in irgendeiner Weise die Verpflichtungen infrage zu stellen, die wir übernommen haben. Der Vertrag ist unterschrieben, er ist in Kraft“, sagte Lukasch dieser Zeitung. „Wir sind überzeugt, dass Russland zu den Führern des Klimaschutzes gehört, weil wir schon unsere Vorgaben im Rahmen des Kyoto-Protokolls übererfüllen.“ Es sei „sehr bedauerlich“, dass die USA entschieden hätten, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen. Ende 2015 hatten sich 195 Staaten darauf geeinigt, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.

Auch China und die Türkei hatten erklärt, dass sie an der Pariser Klima-Regelung festhalten wollten. Selbst aus der Öl- und Gasgroßmacht Saudi-Arabien kamen entsprechende Signale. Nach Trumps Nein gab es in Berlin die Befürchtung, dass auch andere Länder zu Wackelkandidaten werden könnten. Die G20-Gastgeberin Angela Merkel wird die Nachricht freuen. Die Kanzlerin hatte deutlich gemacht, dass der Pariser Vertrag auch nach dem Ausscheren Amerikas „unverhandelbar“ sei.

Merkel wird US-Präsident Donald Trump sehr wahrscheinlich bereits vor Beginn des G20-Gipfels am Donnerstagabend in Hamburg treffen. Auch mit Blick auf die Themen Freihandel und Bekämpfung der Fluchtursachen in Afrika ist nicht damit zu rechnen, dass Washington Zugeständnisse macht. Vielmehr erwägen die USA unter anderem Strafzölle auf Stahlimporte. Die Kanzlerin warnte daher vor allzu großen Hoffnungen beim Tête-à-Tête mit Trump. „Wir kennen ja bestimmte Positionierungen der amerikanischen Regierung, und da erwarte ich nicht, dass wegen einer zweitägigen Reise nach Hamburg diese Positionierungen ausgesetzt werden und sich im Kommuniqué plötzlich wiederfinden“, sagte sie gestern.

In der internationalen Wirtschaftspolitik rechnet Russland mit einer Korrektur der US-Haltung. „Wir sind überzeugt, dass Protektionismus am Ende nur die Bereiche und Entwicklungen hemmt, zu deren Schutz solche Maßnahmen getroffen werden“, betonte G20-Sherpa Lukasch. „Ich denke, auch die amerikanische Regierung wird auf den Weg zum freien internationalen Handel zurückkehren.“ Bislang gibt es hierfür allerdings keine Anzeichen. Nach wie vor gilt Trumps Leitlinie „America first“. Der Chef des Weißen Hauses hatte wiederholt das Handels­defizit der USA mit anderen Ländern angeprangert und Gegenmaßnahmen gefordert, vor allem von Deutschland.

Im Gegensatz dazu hat China ein klares Verhältnis zum Freihandel abgelegt. Ausländische Firmen haben jedoch mit unverändert hohen Hürden beim Zugang zum chinesischen Markt zu kämpfen. So bleiben der Finanzsektor und öffentliche Aufträge für nichtchinesische Anbieter tabu. Auch in Russland gibt es protektionistische Blockaden. Ausländische Automobil-Unternehmen müssen zum Beispiel hohe Einfuhrsteuern bezahlen. Damit will Moskau Druck ausüben, dass Produktionsstätten nach Russland verlegt werden.

Die von Kanzlerin Merkel beim G20-Gipfel angestrebte Partnerschaft mit Afrika („Compact with Africa“), die die Verbesserung der Lebensbedingungen durch private Investitionen vorsieht, bezeichnet die Moskauer G20-Sherpa Lukasch als „sehr bedeutende praktische Übereinkunft“. Eine Reihe von russischen Firmen sei daran interessiert, sich in Afrika zu engagieren. Für Merkel ist dies eine Maßnahme zur Bekämpfung der Fluchtursachen. Lukasch weist allerdings darauf hin, dass die größten Migrantenströme derzeit aus dem Nahen Osten kämen. „Wir betrachten vor allem die wirtschaftlichen Aspekte dieses Problems. Was muss in den Aufnahmeländern passieren, um die Flüchtlinge wirtschaftlich einzugliedern?“ Russland leiste in Afrika bereits „humanitäre Hilfe in großem Umfang“.

Putin baut auf wirtschaftliche Kooperation mit Amerika

Von China ist bei der Partnerschaft mit Afrika nur in begrenztem Ausmaß Hilfe zu erwarten. Das Land verfolgt seine eigene Afrika-Politik. China mit seiner expandierenden Volkswirtschaft hat auf Jahre hinweg einen unstillbaren Hunger nach Rohstoffen und will daher die Bodenschätze des Kontinents ausbeuten. Im Gegenzug bietet Peking Infrastruktur-Projekte sowie zinslose Kredite.

Trotz der Protektionismus-Tendenzen der Trump-Regierung setzt Russland auf eine verstärkte wirtschaftliche Kooperation mit den USA. Insbesondere der digitale Bereich, die Informationssicherheit und der elektronische Handel böten hier Chancen, so Lukasch. „Auch in allen anderen Fragen haben wir keine Wahl, als mit den USA zusammenzuarbeiten. Sie sind einer der Hauptakteure der Welt.“