Linz.

Die weißen und türkisfarbenen Lkw-Container auf der Bühne sind unübersehbare Symbole: Es geht um Aufbruch und Umbau. Die Österreichische Volkspartei (ÖVP), Schwesterpartei der deutschen CDU, hat am Samstag eine neue Ära eingeleitet: Der mit 98,7 Prozent gewählte neue Vorsitzende Sebastian Kurz krempelt die angestaubte Partei und ihre Organisation um, macht sie zur für Nichtmitglieder offenen Bewegung und will als nächster Regierungschef die Alpenrepublik wieder „zurück an die Spitze“ führen.

In seiner Rede fordert Kurz mehr Handlungsstärke in der österreichischen Politik. „Wir sind ein Stück weit Weltmeister im Weiterwursteln geworden“, sagte er. „Hören wir damit auf, die Dinge schönzureden.“ Dem Land gehe es längst nicht so gut, wie die Politik es oft glauben mache. Der 30 Jahre alte Außenminister hat gute Chancen, die Nationalratswahl am 15. Oktober zu gewinnen. Kurz – in offenem weißen Hemd und gediegenem blauen Anzug – hat vor allem ein Themenpaket: den Stopp der Migration Richtung Österreich und den Stopp der „Zuwanderung in die Sozialsysteme“ sowie die Senkung der Steuern.

Bestimmendes Thema in Österreich ist die Migration

„Die neue Volkspartei“ wurde durch eine historische Statutenänderung besiegelt. Demnach kann der Bundesparteiobmann nun den Generalsekretär aussuchen und bestimmen, wer in die Regierung geht, und ob man überhaupt Teil einer Koalition werden will.

Tatsächlich liegt die ÖVP in allen Umfragen bei ungefähr 33 Prozent. Denkbar wäre für Kurz sowohl eine Koalition mit den liberalen Neos und den Grünen als auch mit der FPÖ. Die rot-schwarze Koalition in Österreich aus Sozialdemokraten und ÖVP war im Mai nach monatelangem Gezerre zerbrochen.

Der Außenpolitiker Kurz – der gemeinsam mit Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien – im März 2016 die Westbalkanroute schloss und damit die Massenzuwanderung in sein Land erfolgreich beendete, stilisiert sich zum professionellen „Migrationsroutenschließer“. Konkret geht es ihm darum, dass die Migranten, die mit Rettungsschiffen nach Italien kommen, bereits vor der libyschen Küste zum Umkehren gezwungen werden und in Lager in Nordafrika untergebracht werden.

Der 30-Jährige weiß, dass das Thema gut ankommt, obwohl die meisten Afrikaner, die in den vergangenen Monaten nach Italien kamen, gar nicht bis nach Österreich gelangten. Doch die Furcht vor der Wiederholung einer Fluchtbewegung nach Österreich so wie im Jahr 2015 ist bei den Österreichern groß. Mit dem Thema Migration gräbt Kurz vor allem dem Chef der rechtskonservativen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Heinz-Christian Strache, das Wasser ab. Der amtierende Bundeskanzler Christian Kern von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) wiederum setzt auf soziale Themen. Kern stellt sich in bewährter SPÖ-Taktik als Gegenmodell zur drohenden Koalition zwischen ÖVP und FPÖ dar. Kern droht noch ein anderer politischer Mitbewerber gefährlich zu werden: Peter Pilz, der wohl mit einer eigenen Partei antreten wird. Pilz ist einer der Gründungsmitglieder der Österreichischen Grünen. Doch beim Parteitag wurde er nicht wie gewünscht auf den sicheren vierten Listenplatz gewählt. Pilz könnte daher bald so etwas wie eine Österreichische Linkspartei anführen.