Berlin.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) startet am heutigen Montag eine dreitägige Reise in den Nahen Osten – es wird ein Abstecher in politisch vermintes Gelände. Gabriel will sowohl das von seinen Nachbarstaaten politisch und wirtschaftlich isolierte Golf-Emirat Katar besuchen als auch dessen Widersacher Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sowie Kuwait. Mehr als einen Zuhör-und-Moderationstrip wird der deutsche Chefdiplomat nicht leisten können. Zu sehr haben sich Katar und seine Nachbarn in einen Konflikt verbissen, der vom Kampf um die regionale Hegemonie zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran überlagert wird.

Gabriel versuchte, kurz vor seinem Abflug die Erwartungen herunterzuschrauben: „Wir sorgen uns, dass Misstrauen und Uneinigkeit letztlich alle Seiten und die Golf-Halbinsel als ganze schwächen könnten. Wir stehen weder auf der einen noch der anderen Seite.“ Die Bundesregierung unterstütze die Vermittlungsbemühungen des Emirs von Kuwait. „Denn was es jetzt braucht, ist ein ernsthafter Dialog zwischen den Beteiligten, um konstruktive Lösungsansätze durch Verhandlungen zu entwickeln“, so Gabriel.

Vier arabische Länder hatten vor rund vier Wochen alle diplomatischen Kontakte zu Katar abgebrochen und ein Ultimatum verhängt. Der Zwergstaat solle die Finanzierung islamistischer Terrorgruppen aufgeben, den Fernsehsender al-Dschasira dichtmachen und die Kontakte zum Iran herunterfahren.

Kurz vor dem heutigen Auslaufen der Frist muss Katar mit neuen Sanktionen rechnen. Saudi-Arabien, die VAE, Bahrain und Ägypten berieten über eine Liste möglicher Zwangsmaßnahmen, berichtete der arabische Fernsehkanal al-Arabiya am Sonntag.

Saudi-Arabien verschärfte unterdessen den Druck auf Katar. „Die zwölf größten islamistischen Extremisten haben Verbindungen nach Katar. Saudi-Arabien hat eine Politik der Null-Toleranz gegenüber dem islamistischen Extremismus“, sagte der saudische Minister für Kultur und Information, Awwad al-Awwad, dieser Zeitung. Die saudische Regierung in Riad wirft Katar vor, Terrorgruppen wie al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel, den IS, die Muslim-Bruderschaft und den Taliban mit Geld auszustatten. Sehr oft seien religiöse Stiftungen das Vehikel, heißt es. Laut mehreren Berichten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatten jedoch in der Vergangenheit auch Privatleute sowie Stiftungen aus Saudi-Arabien islamistische Gruppierungen finanziell unterstützt.

Neuerdings gebe es in Saudi-Arabien eine extremistische Organisation mit dem Namen „Islamische Bewegung“, die von Katar finanziert werde, sagte al-Awwad, der bis April Botschafter seines Landes in Berlin war. Der Anführer sei Sa’ad al-Faqih, der von Saudi-Arabien und vielen anderen Ländern gesucht werde. Al-Faqih habe im April und im Juni zu einer „Revolution“ in Saudi-Arabien aufgerufen.

Katar will Landwirtschaft in der Wüste betreiben

„Wir können das nicht zulassen. Würde es Deutschland erlauben, wenn Luxemburg das Gleiche täte?“, fragte Al-Awwad. Katar wies die Kritik zurück. Saudi-Arabien, den VAE, Bahrain und Ägypten gehe es nicht um die Bekämpfung des Terrorismus, sondern um die Beschneidung von Katars Souveränität, betonte Außenminister Mohammed bin Abdulrahman al-Thani. US-Präsident Donald Trump hatte sich zu Beginn der Krise erfreut über die Blockade geäußert. Immer wieder hatte er dem Iran, der enge Beziehungen zu Katar unterhält, die Finanzierung des internationalen Terrorismus angekreidet. Bei seinem ersten Auslandsbesuch Ende Mai in Riad hob er den engen Schulterschluss zwischen den USA und Saudi-Arabien hervor. Das amerikanische Außenministerium schlug allerdings zurückhaltendere Töne an.

Teheran wischte die Anschuldigungen aus Riad und Washington vom Tisch. „Saudi-Arabien reagiert zornig“, unterstrich ein iranischer Spitzendiplomat. Das zeige sich an den massiven Luftangriffen gegen Stellungen der Huthi-Rebellen im benachbarten Jemen, die hohe Zahlen ziviler Opfer mit einkalkulierten. Nun mache Saudi-Arabien Front gegen Katar. Er rechne aber nicht mit einem „heißen Krieg“ in der Region, sagte der Diplomat in Teheran. „Wir würden eine Besetzung Katars auch nicht zulassen“, fügte er hinzu.

Katar arbeitet derzeit mit Hochdruck daran, eine eigene Lebensmittelindustrie in der Wüste aufzubauen. So hält die Firma Baladna schon jetzt nördlich der Hauptstadt Doha mehr als 20.000 Schafe und Ziegen, aus deren Milch es Molkereiprodukte herstellt. Innerhalb kürzester Zeit will Baladna nun Ställe für 4000 neue und eigene Kühe aus dem Boden stampfen. Allein 1000 sollen aus Deutschland eingeflogen werden. „In neun Monaten“, prophezeit Firmenchef Ramis al-Chajat, „kann sich Katar autark versorgen.“

Von Panik ist am Golf jedenfalls nichts zu spüren. Auch in Teheran hält sich die Angst vor Donald Trump in Grenzen. „Wir werden mit ihm fertigwerden – so wie wir mit allen US-Präsidenten fertiggeworden sind“, heißt es im iranischen Außenministerium.