Berlin.

Am Ende einer Woche mit sehr wenig Schlaf und sehr, sehr vielen Interviews geht Ulli Köppe den kurzen Weg zwischen Reichstag und Kanzleramt. Von Weitem sieht er, wie eine große Regenbogen-Torte vor das Gebäude geschoben wird, und er will sofort ein Foto von sich vor dieser Torte. Er legt seinen Laptop auf die Seite, schaut noch einmal kurz aufs Telefon („Oh Mann, noch 60 Freundschaftsanfragen auf Facebook“) und stellt sich vor der Torte auf. Eins, zwei, drei – und er springt in die Höhe, wie ein Tourist vor dem Eiffelturm oder dem Taj Mahal.

Ulli Köppe ist der Mann, der am Montagabend beim „Brigitte“-Gespräch mit Angela Merkel in der zweiten Reihe saß – und das Mikrofon in die Hand bekam. Er outete sich als Merkel-Fan und fragte dann: „Wann kann ich meinen Freund ,Ehemann‘ nennen, wenn ich ihn geheiratet habe.“ Was danach kam, nennen einige historisch: Merkels Rede von der „Gewissensfrage“, Martin Schulz’ Vorstoß zur Abstimmung in dieser Woche, das Ergebnis im Bundestag um 9.13 Uhr und – die praktische Einführung der „Ehe für alle“ in Deutschland.

Aber wenn man den, der mit seiner Frage alles ins Rollen brachte, fragt, wie hoch er auf einer Skala von eins bis zehn seinen Einfluss auf dieses Ergebnis sieht, sagt er: „Null Komma zwei fünf, nicht mehr.“ Er sieht viel eher Volker Beck (Grüne) und Johannes Kahrs (SPD) in der Verantwortung, weil die seit Jahren dafür gekämpft haben. „Ich hab’ doch nur eine Frage gestellt, das war’s.“

Ans Arbeiten war in dieser Woche für ihn nicht zu denken. Normalerweise ist es jetzt stressig, weil er als Veranstaltungsmanager viele Feste organisiert. „Aber dazu kam ich nicht.“ Sämtliche Medien wollten Interviews mit dem 28 Jahre alten Mann. Am Mittwoch hielt er einen Vortrag vor einer Filmveranstaltung, am Donnerstag diskutierte er mit Auslandsjournalisten und am Abend mit schwulen CDU-Mitgliedern. Am Freitagmorgen dann lief er in den Nordeingang beim Bundestag – und traf noch einmal auf Angela Merkel. „Entschuldigen Sie“, fragte er, „können wir schnell ein Foto ...“ Doch sie musste weiter.

Sie hat ihn wahrscheinlich nicht sofort erkannt, aber vor der Torte am Kanzleramt ist das anders. Nachdem er für das Foto zweimal in die Höhe gesprungen ist, kommen mehrere umstehende Demonstranten mit Regenbogen-Fahnen auf ihn zu: „Das ist doch der Ulli!“, ruft jemand. Ein anderer: „Danke für die Frage!“ Dann fragt ihn einer, ob er noch Merkel-Fan sei, obwohl sie für ,Nein‘ stimmte? Er lächelt, wie er seit einer Woche professionell in alle Kameras gelächelt hat, und sagt: „Na klar.“