Berlin. Bislang beispiellose Würdigung für den gestorbenen Bundeskanzler in Straßburg geplant. Öffentliche Totenmesse im Dom zu Speyer

Er war ein außergewöhnlicher Staatsmann, nun wird auch der Abschied von Helmut Kohl mit außergewöhnlichen Ehren verbunden sein: Als erster Politiker der Europäischen Union wird der am Freitag verstorbene Altkanzler mit einem europäischen Staatsakt geehrt.

Die Trauerfeier soll mit der gesamten Spitze der EU und den Weggefährten Kohls im Europaparlament in Straßburg stattfinden, wie eine Sprecherin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Sonntag bestätigte. Juncker, der mit Kohl freundschaftlich verbunden war, hatte sich für diese bislang einmalige Ehrung eingesetzt, offenbar war Kohl zu Lebzeiten in die Überlegungen eingeweiht worden.

Der Kommissionspräsident verwies darauf, dass Kohl schließlich 1998 auch die europäische Ehrenbürgerschaft verliehen worden sei – eine Auszeichnung, die außer ihm bisher nur dem längst verstorbenen europäischen Gründervater Jean Monnet und dem früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors zuteil geworden ist.

Leichnam soll per Schiff nach Speyer gebracht werden

Der genaue Termin für den Staatsakt steht noch nicht fest, er soll aber noch im Juni stattfinden. Der Plan stieß am Sonntag auf große Zustimmung sowohl in Berlin als auch bei führenden EU-Politikern.

Auch die Vorbereitungen für die weiteren Trauerfeierlichkeiten sind bereits weit gediehen, wie die „Bild am Sonntag“ berichtete. Nach dem Staatsakt soll der Leichnam Kohls mit einem Schiff über den Rhein in das etwa 100 Kilometer nördlich gelegene rheinland-pfälzische Speyer gebracht werden. Dort soll im Dom eine öffentliche Totenmesse abgehalten werden.

Für Kohl hatte der fast tausend Jahre alte Kaiserdom zeit seines Lebens eine große Bedeutung: Hier suchte er als 13-Jähriger im Zweiten Weltkrieg Schutz vor den Fliegerangriffen, hierhin zog er sich oft zurück, hier war im Jahr 2001 auch die Totenmesse für seine erste Frau Hannelore gehalten worden. „Das ist mein Heimatdom“, hat Kohl einmal über seine besondere Beziehung zu Speyer gesagt. Nach der Messe soll dann der engste Familien- und Freundeskreis in der Kapelle im Adenauerpark in Speyer Abschied vom Altkanzler nehmen.

Die Trauerfeierlichkeiten ähneln denen für den im April 1967 verstorbenen ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer. Auch er war mit dem Schiff über den Rhein an seine letzte Ruhestätte gebracht worden. Damals säumten Tausende Menschen das Rheinufer, Hunderttausende sahen am Fernseher zu, als ein Schnellboot den Sarg nach Rhöndorf transportierte. Bis zum Staatsakt soll Kohl in seinem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim aufgebahrt bleiben. Dort fanden sich am Wochenende auch engste Vertraute ein. Am Sonntag zeigte sich Agenturberichten zufolge Helmut Kohls Witwe Maike Kohl-Richter vor dem Haus: Zusammen mit dem früheren „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann, der mit den Kohls in enger Freundschaft verbunden war, legte sie eine Europafahne auf dem Gehweg zurecht.

Am Sonnabend hatten sich knapp 200 Menschen vor dem Wohnhaus versammelt, die einem Aufruf der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union zu einer Gedenkwache gefolgt waren und Blumen und Kerzen niederlegten.

In Rheinland-Pfalz, wo Kohl von 1969 bis 1976 Ministerpräsident war, und in Berlin wurde Trauerbeflaggung angeordnet. Bundeskanzlerin Angela Merkel trug sich am Sonntag im Kanzleramt in ein Kondolenzbuch ein: „Mit Helmut Kohl verlieren wir einen großen Demokraten und großen Europäer“, schrieb Merkel. Wie kaum ein anderer habe er sich um die Wiedererlangung der Einheit Deutschlands und die europäische Einigung verdient gemacht, die Deutschen verdankten ihm viel. „Ich verneige mich vor seinem Angedenken“, lautet Merkels Schlusssatz.

Im Foyer der Regierungszentrale liegt ein weiteres, öffentliches Kondolenzbuch aus, in das sich Bürger eintragen können, außerdem in der CDU-Zentrale und im Berliner Roten Rathaus. Der Deutsche Fußball-Bund teilte mit, dass die Nationalmannschaft am Montag bei ihrem ersten Spiel im Confederations Cup in Russland zum Andenken an Kohl mit Trauerflor auflaufen wird.

Eine Helmut-Kohl-Straße gibt es schon, weitere sollen folgen

Unterdessen begann am Wochenende eine Diskussion darüber, wie das Erbe des früheren Bundeskanzlers ehrenvoll bewahrt werden kann. Die Kulturstaatsministerin des Bundes, Monika Grütters, plädierte für eine Gedenkstiftung. Grütters, die auch Berliner CDU-Landesvorsitzende ist, kündigte auf einem Parteitag ihres Verbandes an, sie wolle sich für eine solche „Helmut-Kohl-Stiftung“ einsetzen. Bislang gibt es überparteiliche Gedenkstiftungen unter anderem für die früheren Kanzler Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Schmidt. Erste Politiker forderten auch, in Berlin und anderen Städten Straßen und Plätze nach Kohl zu benennen. Eine erste „Doktor-Helmut-Kohl-Straße“ gibt es bereits im Fischerdorf Loddin auf der Insel Usedom.