Berlin.

Es sind die Namen von europäischen Metropolen, die dafür gesorgt haben, dass die deutschen Innenminister bei ihrer Konferenz in Dresden vor allem ein Thema diskutieren: die Terror-Abwehr. Paris, Nizza, Berlin, zuletzt Manchester und London. Etliche Sicherheitsgesetze wurden in den vergangenen Monaten bereits verabschiedet: stärkerer Austausch der Geheimdienste, umfangreicherer Einsatz von verdeckten Ermittlern, der Kauf von Handykarten nur noch gegen Vorlage von Personalausweisen. Doch mit jedem Anschlag flammt die Debatte über weitere Anti-Terror-Gesetze neu auf. Vor allem die Union setzt auf eine Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden, die Opposition warnt vor ungesteuerter Überwachung. Jetzt diskutieren die Innenminister auf ihrer Jahreskonferenz neue Vorstöße. Die vorgeschlagenen Maßnahmen und ihre Realisierungswahrscheinlichkeit im Überblick:


WhatsApp kontrollieren
Extremisten nutzen nur noch selten eine gewöhnliche SMS, sie kommunizieren vor allem über verschlüsselte Online-Messengerdienste wie WhatsApp oder Telegram. Die Ermittlungen zu den Attentätern von London oder Brüssel belegen das, genauso wie die Maßnahmen gegen die rechtsextremistische Gruppe „Old School Society“. Doch vor allem Kriminalbeamte klagen, dass sie kaum Zugang zu diesen Chats haben – sowohl rechtlich als auch technisch. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will nun die gesetzlichen Voraussetzungen für die Online-Überwachung und die Beobachtung der Messengerdienste schaffen, auch im Vorfeld ohne eine Straftat – zur „Abwehr von Gefahren“. Mit einer Software soll die Polizei die laufende Kommunikation eines Verdächtigen mitlesen können, bevor sie verschlüsselt wird. Es ist eine Forderung, die auch die SPD für richtig hält. Die Chancen für eine baldige Umsetzung sind gut. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) befürwortet das Vorhaben ebenfalls. Allerdings warnt SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka: „Einen Generalschlüssel, mit dem im Nachgang jede Kommunikation lesbar wird, lehne ich ab.“ Selbst wenn die Rechtslage für eine Überwachung etwa von WhatsApp per Gesetz geklärt ist – häufig scheitert der Zugriff an mangelnder Entschlüsselungstechnik der Polizei.


Gesichtserkennung durch
Videokameras

Im Bahnhof Berlin-Südkreuz testet die Polizei ab diesem Sommer eine Software, die mit Hilfe der Bilder von Überwachungskameras automatisch Gesichter erkennt – und Alarm schlägt, wenn sich ein bekannter Extremist an einem Gleis oder am Flughafen aufhält. Der Innenminister will diese Software nicht nur an Bahnhöfen einsetzen – sondern flächendeckend. So sollen Terroristen, aber auch schwere Straftäter leichter erkannt und gefasst werden. Wer mit Kriminalbeamten spricht, hört meist Skepsis über die Genauigkeit und Effizienz dieser Maßnahme im Kampf gegen Terroristen. Auch die SPD ist, wie Grüne und Linke, skeptisch. Die Innenpolitikerin der Grünen, Irene Mihalic, warnt vor den „Risiken einer Komplett-Überwachung“ des Alltags in Deutschland und hält den Vorstoß des Ministers vor allem für eine „PR-Maßnahme“. Selbst wenn die Technik verbessert wird, scheint es für diese Überwachung derzeit keine politische Mehrheit zu geben.


Kinder überwachen lassen
Extremisten werden immer jünger – da sind sich Kriminologen und Polizisten einig. Gerade die Terrorgruppe IS mobilisiert mit ihrer Propaganda Jugendliche und sogar Kinder, will sie zu „Soldaten“ erziehen. Jugendliche ab 14 Jahre können bereits von Verfassungsschützern überwacht werden. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert nun: „Wenn es einen konkreten Hinweis gibt, dass im Umfeld einer islamistischen Gruppe ein Zwölfjähriger unterwegs ist, müssen wir den auch beobachten können.“ SPD und Opposition sehen das kritisch. Grünen-Politikerin Mihalic setzt statt Überwachung auf mehr Prävention bei Kindern und Jugendlichen. „Kinder sind keine Täter, sondern Opfer“, sagt auch SPD-Innenpolitiker Lischka. Die Union ist mit dieser Forderung bisher allein.
Bundesweite Schleierfahndung
Ein weiterer Vorstoß aus Bayern: Die Schleierfahndung soll bundesweit eingeführt werden. Bisher halten Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen diese Maßnahme nicht für notwendig. Unions-Innenexperte Stephan Mayer mahnt, dass die Fahndung angesichts „offener Grenzen in Europa“ ein unverzichtbares Instrument sei, um die Einreise von Terroristen, Kriminellen und irregulären Einwanderern zu verhindern. Die Grünen lehnen eine bundesweite Schleierfahndung dagegen ab. Die Linke warnt, dass durch solche Maßnahmen kein Terrorismus verhindert würde, sondern nur die „diskriminierende Praxis“ etwa von Polizeikontrollen nach Hautfarbe gefördert werde. Innenexpertin Martina Renner spricht bei den Forderungen des Innenministers von „Raubbau an Datenschutz und Bürgerrechten“. Und doch: Gut möglich, dass hier beispielsweise das nun CDU-geführte Nordrhein-Westfalen bald nachlegen wird. Damit steigt der Druck auch auf die anderen Bundesländer.


Genetisches Phantombild
Im Maßnahmenkatalog des Innenministers findet sich auch die Idee eines „genetischen Phantombilds“. Bisher erstellen Polizisten Fahndungsbilder vor allem mit Hilfe von Zeugenaussagen. Doch was, wenn es keine Zeugen gibt. Dafür will Bundesinnenminister de Maizière Polizisten ermöglichen, durch Täter-DNA und mit einer speziellen Software Phantombilder zu zeichnen. DNA-Spuren sind etwa Speichel, Blut oder Haare. Auf diese Weise können Ermittler etwa das Alter oder die Hautfarbe einer Person auswerten. Kriminalpolizisten setzen auf die Entwicklung dieser Technik. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) arbeitet an einem Gesetzentwurf, der die erweiterte Rolle von DNA-Proben in der Strafprozessordnung verankern soll. Die Chancen für eine Umsetzung im Gesetz stehen gut, die Probleme mit der Technik bleiben aber. Fachleute warnen: Die Genetik eines Menschen, die das Aussehen prägt, ist sehr komplex. Ein Phantombild per DNA ist derzeit stark fehleranfällig.


Verfassungsschutz zentralisieren
De Maizière will den Bundesämtern von Verfassungsschutz und Kriminalpolizei mehr Befugnisse geben, die Strafverfolgung zentralisieren. Terroristen agieren über Landesgrenzen hinaus, also dürfen Ermittlungen nicht durch Kompetenzgerangel der Länder behindert werden, so die Argumentation. Hier erhält der Bundesinnenminister Zuspruch von den Grünen. Doch der Gegenwind gegen diesen massiven Umbau der Behörden in Deutschland ist groß – und kommt auch aus Bayern. Die CSU hält nichts von der Abschaffung der Landesämter. Auch ander Innenminister der Länder betonen vielmehr, wie wichtig lokale Kenntnisse und schnelles Agieren vor Ort im Kampf gegen Extremisten sind. SPD-Innenpolitiker Lischka fordert, dass vielmehr die bestehende Vernetzung von Bund und Ländern etwa im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) verbessert werden müsse.