Paris.

Es läuft rund für Emmanuel Macron, der in seinen ersten Wochen als französischer Staatschef mit beherzten Auftritten auf dem internationalen Parkett zu beeindrucken wusste. Aber ob der junge Präsident tatsächlich ein neues Kapitel in der Geschichte seines Landes aufblättern kann, entscheidet sich erst bei den an den beiden kommenden Wochenenden anstehenden Parlamentswahlen. Am 11. sowie am 18. Juni sind die Franzosen aufgerufen, eine neue Nationalversammlung zu wählen.

Macron braucht eine Mehrheit im Parlament, um sein Reformprogramm umsetzen zu können, mit dem er die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas wieder auf die Beine bringen will. Andernfalls wäre er gezwungen, eine neue Regierung zu ernennen, in der seine politischen Gegner den Ton vorgeben. „Cohabitation“ wird in Frankreich eine solche Konstellation genannt, die im Zweifelsfall zu einer Lähmung der Entscheidungsgremien führt.

Doch die Aussichten sind sehr gut für den 39-Jährigen, der als politischer Quereinsteiger den Élysée-Palast im Handstreich eroberte und über Jahresfrist mit La République en Marche (LREM) eine eigene Partei der Mitte aus dem Boden gestampft hatte. Laut letzten Umfragen dürfte es LREM gelingen, nicht nur eine relative, sondern sogar eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu erobern. Noch vor einem Monat hatte das kaum jemand für möglich gehalten, schon weil die Hälfte der LREM-Kandidaten aus Vertretern der Zivilgesellschaft besteht und über keinerlei politische Erfahrung verfügt.

Die Sozialisten sind schwach, die Republikaner zerstritten

Tatsächlich schickt sich Macron an, seine bereits bei den Präsidentschaftswahlen begonnene Abrissarbeit des traditionellen Parteiensystems zu vollenden. Die völlig am Boden liegende Sozialistische Partei, deren Spitzenkandidat bei den Präsidentenwahlen nur auf lächerliche 6,7 Prozent kam, steuert auf eine historische Niederlage zu. Laut jüngsten Prognosen droht sie bis zu 230 ihrer 283 Abgeordnetenmandate zu verlieren. Aber auch den konservativen Republikanern scheinen die Felle davonzuschwimmen.

Seit Macron mit Édouard Philippe einen ihrer Repräsentanten zum Regierungschef berief und zwei weiteren Republikanern Schlüsselposten im Kabinett anvertraute, ist die Partei vom Spaltpilz befallen. Der interne Streit zwischen den Befürwortern einer konzilianten Linie gegenüber Macron und den Anhängern einer frontalen Opposition bescherte den Republikanern, die sich vor wenigen Wochen noch Hoffnungen auf die Parlamentsmehrheit machten, einen Absturz in den Umfragen. Mittlerweile wäre das rechte Lager froh, wenn es wenigsten annähernd zwei Drittel seiner 225 Sitze halten könnte.

„Wenn mich die Bürger zum Präsidenten wählen, werden sie mir auch eine Regierungsmehrheit geben“, hatte sich Macron bereits Mitte April in einem Interview mit unserer Zeitung zuversichtlich gegeben. Das Gegenteil wäre zwar eine Premiere in der Geschichte der Fünften französischen Republik, dennoch galt diese Aussage damals als ziemlich verwegen.

Aber die Stimmung ist umgeschlagen, vor allem deshalb, weil Macron seit seinem Einzug in den Élysée-Palast eine weitaus bessere Figur abgibt, als selbst seine Anhänger zu hoffen wagten. Deutlich mehr Wähler als diejenigen, die am 7. Mai aus Überzeugung für den Ex-Banker stimmten, sind heute bereit, seiner Partei ihre Stimme zu geben.

Der Front National hat nur wenige Chancen auf Mandate

Die im Ausland lebenden Franzosen waren bereits am vergangenen Wochenende zur Stimmabgabe für die erste Wahlrunde aufgerufen und haben in zehn von elf Wahlkreisen die LREM-Kandidaten mit teilweise beträchtlichem Vorsprung auf die ersten Plätze gehievt. Sollte sich dieser Trend am Sonntag fortsetzen, kann Macon sogar mit einer satten Mehrheit rechnen.

Von Rechtsextremisten und Linkspopulisten hingegen, deren Kandidaten in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen zusammen noch rund 40 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich zogen, droht diesmal keine Gefahr. Sowohl der Front National von Marine Le Pen als auch La France insoumise des linksradikalen Volkstribuns Jean-Luc Mélenchon haben aufgrund des Mehrheitswahlrechts (siehe Kasten) kaum Chancen, in Fraktionsstärke in das neue Parlament einzuziehen.