Kairo/Berlin.

Der Iran gilt als einer der am besten gesicherten Staaten am Persischen Golf: Armee, Polizei, Revolutionsgarden und die Basidschi, eine als Hilfspolizei eingesetzte paramilitärische Miliz, haben das Land fest im Griff.

Nicht so am Mittwoch. Am Morgen hallten Schüsse durch die Straßen Teherans, Menschen kauerten zum Schutz hinter Alleebäumen. Sunnitische Terroristen nahmen in einer Kommandoaktion das Parlament im Herzen Teherans und das Mausoleum von Staatsgründer Ajatollah Chomeini im Süden der Hauptstadt unter Feuer. Nach Angaben der Behörden töteten sie bei dem Doppelattentat mindestens zwölf Menschen und verletzten mehr als 40. Einige Attentäter, darunter eine Frau, sprengten sich in die Luft, andere schossen mit Kalaschnikows und Pistolen um sich.

In dem weiträumigen Parlamentskomplex gelang es der Polizei erst am Mittag, die vier Angreifer des ersten Kommandos aufzuspüren und auszuschalten. Die Abgeordneten schlossen sich zum Zeitpunkt des Dramas im Plenarsaal ein, unterbrachen jedoch ihre Sitzung nicht. Parlamentspräsident Ali Laridschani reagierte demonstrativ gelassen, nannte den Angriff „eine triviale Angelegenheit“, die in die Kompetenz der Polizei falle.

Parallel dazu stürmte eine zweite Gruppe von Attentätern auf das weiträumige Gelände der Chomeini-Gedenkstätte und erschoss wahllos Umstehende, darunter einen Gärtner. Auch hier dauerten die Gefechte zwischen den Terroristen und der Polizei nach Angaben der Nachrichtenagentur Irna mehr als eine Stunde.

Die Terrormiliz IS reklamierte die Bluttat für sich. Es wäre der erste Anschlag der sunnitischen Terrormiliz auf dem Staatsgebiet des Iran, der schiitischen Vormacht im Nahen Osten. „Kämpfer des Islamischen Staates griffen das Chomeini-Mausoleum und das Parlamentsgebäude in Teheran an“, hieß es in einer Erklärung auf der IS-Webseite Amaq, die sich den Anstrich einer Nachrichtenagentur gibt. Das iranische Geheimdienstministerium erklärte, man habe ein drittes Kommando neutralisiert, bevor es seine Terrorpläne ausführen konnte. Inzwischen droht der IS mit weiteren Anschlägen.

Bereits im März hatte der IS dem Iran gedroht

Auf Fotos im Internet war im Fenster eines Parlamentsbüros einer der Angreifer mit einer Kalaschnikow zu sehen, der zu diesem Zeitpunkt offenbar eine Geisel in seiner Gewalt hatte. Andere Bilder zeigten Sicherheitskräfte, die Angestellte über die Außenmauern evakuierten.

Die genauen Hintergründe der beiden Bluttaten liegen noch im Dunkeln, auch über die Identität der Attentäter war bis zum Abend nichts bekannt. Doch der IS hatte im März zum ersten Mal auch der Islamischen Republik explizit Terroranschläge angedroht. Man werde den Iran erobern und ihn wieder zu einer sunnitischen Nation machen, hieß es in der Audiobotschaft. Im syrischen Bürgerkrieg kämpfen iranische Revolutionsgarden und schiitische Milizen an der Seite des Regimes von Baschar al-Assad gegen die Aufständischen, unter denen sunnitische Extremisten eine immer zentralere Rolle spielen. Im Irak beteiligen sich die iranhörigen Paramilitärs an der Rückeroberung der Metropole Mossul, wo der „Islamische Staat“ kurz vor der militärischen Kapitulation steht.

Aber auch im Inneren des Iran gab es in den letzten Jahren Terrortaten sunnitischer Radikaler, von denen viele mit dem „Islamischen Staat“ sympathisieren. So räumte Geheimdienstminister Mahmoud Alavi ein, sein Land habe bisher rund 1500 junge Männer an einer Ausreise in das IS-Gebiet gehindert. Im Mai flammten nach einer langen Phase der Ruhe die Gefechte mit kurdischen Separatisten im Westen des Landes wieder auf. Zwei Soldaten starben, drei wurden schwer verletzt. Im Südosten, an der Grenze zu Pakistan, gärt es vor allem in der Provinz Sistan-Baluchistan, dessen sunnitische Bevölkerung sich von Teheran diskriminiert und vernachlässigt fühlt. Die dort operierende Terrororganisation Jaish-ul Adl, die sich zu al-Qaida rechnet, erschoss zuletzt im April zehn iranische Grenzpolizisten. Bei ihrem bisher schwersten Attentat im Jahr 2009 starben 42 Menschen, die meisten waren Mitglieder der Revolutionsgarden.

Der IS-Doppelanschlag in Teheran fällt aber auch in eine Phase höchster Spannungen zwischen den beiden regionalen Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien. Iran fühlt sich als globale Schutzmacht der Schiiten, Saudi-Arabien mit Mekka und Medina als sunnitische Vormacht. Die saudische Führung wirft Teheran vor, permanent Unruhe in der Region zu stiften und den Terror zu fördern, ein Urteil, dem sich US-Präsident Donald Trump bei seinem Besuch in Riad vor drei Wochen demonstrativ anschloss. Der Iran finanziere Waffen und trainiere Terroristen, Milizen und andere extremistische Gruppen, die Zerstörung und Chaos verbreiteten, sagte Trump bei seiner Grundsatzrede in der saudischen Hauptstadt. Die iranische Regierung spreche offen über Massenmord, die Vernichtung Israels und den Tod für Amerika, erklärte er. Zu den tragischsten Interventionen des Iran gehöre der Bürgerkrieg in Syrien, rügte Trump. Solange das iranische Regime nicht bereit sei, ein Partner für Frieden zu sein, müssten alle Nationen zusammenarbeiten, um es zu isolieren.

Umgekehrt beschuldigt Teheran die saudische Monarchie, Angehörige sunnitischer Minderheiten in Persien aufzustacheln und zu finanzieren. Kurz vor dem Trump-Besuch in Riad erklärte Saudi-Arabiens Vizekronprinz Mohammed bin Salman, der Kampf mit der Islamischen Republik werde „innerhalb des Iran und nicht in Saudi-Arabien“ ausgefochten. Riads früherer Geheimdienstchef Prinz Turki al-Faisal besuchte kürzlich zum ersten Mal eine Anti-Iran-Demonstration der Volksmudschahedin MEK in Paris, die seit mehr als drei Jahrzehnten von ihrem Exil aus für den Sturz der iranischen Führung kämpfen. „Euer legitimer Kampf gegen das Regime wird – früher oder später - sein Ziel erreichen. Auch ich will den Sturz des Regimes“, rief er der jubelnden Menge zu.

Die Bundesregierung zeigte sich angesichts der Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran besorgt. „Wir sind überzeugt, dass ein Zwist unter Partnern und Nachbarn am Ende nur die Falschen stärkt“, sagte Außenminister Sigmar Gabriel nach einem Treffen mit seinem saudischen Kollegen Adel al-Dschubair in Berlin. Es komme vor allem darauf an, die internationale Koalition gegen den IS zu stärken.

Katars Außenminister wies alle Vorwürfe zurück

Saudi-Arabien und mehrere arabische Staaten hatten am Montag die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Katar abgebrochen. Einer der Hauptvorwürfe: Katar unterstütze islamistische Extremisten wie die Muslimbrüder, Hamas oder al-Qaida. Darüber hinaus pflege das Emirat gute Beziehungen zum Iran, dem die arabischen Länder politische und militärische Einmischung in Syrien, im Irak, in Bahrain, im Jemen und im Libanon vorwerfen.

Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, die Isolation eines Landes sei nicht zielführend. Die USA hatten zuvor ihren Druck auf Katar erhöht. Al-Dschubair blieb bei seiner Kritik und sieht das Golf-Emirat am Zug. Katars Außenminister Mohammed bin Abdulrahman al-Thani wies alle Vorwürfe zurück. Es gebe keinen Beweis, dass Katars Regierung radikale Islamisten unterstütze.