Washington.

Donald Trump redete gerade in Ohio über Wasserwege in Amerika. Da setzte aus Richtung Washington ein unerwarteter Sturzregen ein, der den Präsidenten der Vereinigten Staaten in der Russland-Affäre offiziell in den Verdacht der Lüge rückt. Ex-FBI-Chef James Comey hat vor der für heute (16 Uhr deutscher Zeit) mit Spannung erwarteten Sitzung des Geheimdienst-Ausschusses im Senat die Katze aus dem Sack gelassen. Und vorab bestätigt, was Medien seit Tagen berichten und der Präsident als „fake news“ weit von sich weist: dass nämlich Donald Trump persönlich ihn, Comey, von der Aufklärung einer wichtigen Personalie im größten innenpolitischen Skandal seit Jahrzehnten abhalten wollte. Insider in Washington werten das als „Kriegserklärung“ des gefeuerten FBI-Chefs gegen Donald Trump.

Ab sofort steht der Verdacht der verbotenen Einflussnahme, wenn nicht der Justiz-Behinderung im Raum. Ein strafbewehrtes Vergehen, das – falls beweisbar – die oppositionellen Demokraten im Kongress als Hebel für ein Amtsenthebungsverfahren einsetzen wollen. Entscheidend wird aber die republikanische Mehrheit sein.

In einer schriftlichen Stellungnahme, die der Senat gestern veröffentlichte, erklärt Comey, dass Trump ihm bei einem Vier-Augen-Gespräch am 14. Februar im Weißen Haus zu verstehen gegeben hat, dass er den früheren Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn in Ruhe lassen möge. „Ich hoffe, Sie sehen einen freien Weg, dies sein zu lassen, von Flynn abzulassen. Er ist ein guter Kerl. Ich hoffe, Sie können das sein lassen“, zitiert Comey den Präsidenten und fügt hinzu, er habe Trump die Erfüllung der Bitte mit Verweis auf die Unabhängigkeit der nicht abgeschlossenen Untersuchung abgeschlagen. Trump habe ausdrücklich von einer „Wolke“ gesprochen, die über seiner Präsidentschaft schwebe. Comey sollte sie „aufreißen“.

Flynn, unter Obama in Ungnade gefallener Chef des militärischen Geheimdienstes, gilt in der seit Monaten wabernden Affäre um mutmaßliche russische Störmanöver zugunsten Trumps im Präsidentschaftswahlkampf 2016 als „Spinne im Netz“. Der frühere General hatte diverse Kontakte zu Russlands US-Botschafter Sergej Kisljak, über die er die Unwahrheit gesagt hatte. Konsequenz: Flynn musste schon kurz nach Trumps Amtsantritt den Hut nehmen.

In seiner Eröffnungserklärung bei der heutigen Anhörung wird Comey den Abgeordneten außerdem bestätigen, was ebenfalls bereits in den Medien kursierte: dass Trump von ihm Gefolgschaft erwartete. „Ich brauche Loyalität. Ich erwarte Loyalität“, sagte Trump laut Comey, der sich mit Unwohlsein an die Szene erinnert. „Ich habe mich nicht bewegt, nichts gesagt oder meinen Gesichtsausdruck geändert während der unangenehmen Stille, die darauf folgte. Wir haben uns nur schweigend angesehen.“

Präsidentschaft könnte ins Schlingern geraten

Der Ex-FBI-Chef empfand das Ansinnen des Präsidenten als befremdlich. Trump habe ihn gefragt, ob er FBI-Chef bleiben wolle und so etwas wie eine „Mentorenbeziehung“ aufbauen wollen. „Das hat mich sehr besorgt gestimmt, da das FBI traditionell unabhängig von der Exekutive agiert.“

Mit der Erklärung Comeys könnte die Präsidentschaft Trumps, der laut Umfragen nur noch ein Drittel der Amerikaner hinter sich hat, weiter ins Schlingern geraten. Zumal die schlechten Nachrichten nicht abreißen. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Comey Justizminister Jeff Sessions mehrfach „inständig“ bat, sich gegen Trump und schützend vor ihn und das FBI zu stellen. Sessions wiederum, bei Trump auf der Abschussliste, weil er sich in Sachen Russland bereits im Februar für befangen erklärte, soll Trump seinen Rücktritt angeboten haben.

Neben Comey soll der Präsident zwei weitere Säulen des Sicherheitsapparats, Geheimdienst-Koordinator Dan Coats und NSA-Chef Michael Rogers, aufgefordert haben, ihm und seinem Team in Sachen Kreml-Connections öffentlich eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen. Coats, einst US-Botschafter in Berlin, sollte zudem auf Wunsch von Trump Comey auf Linie bringen. Alle drei Top-Beamte verweigerten dazu am Mittwoch in einer anderen Senatsanhörung konsequent die Aussage.

Vor dem neuen Hintergrund erscheint Comeys Rauswurf durch Trump am 9. Mai noch mehr als ein Racheakt für verweigerten Gehorsam. Zumal Trump seinen Schritt seinerzeit exakt mit der Causa Russland begründete und Comey als „Aufschneider“ und „Blender“ abqualifizierte. Der Präsident benannte unterdessen am Mittwoch den Ex-Vizejustizminister Christopher Wray als seinen Kandidaten für Comeys Nachfolge als FBI-Chef.