Berlin.

Von Incirlik in der Türkei nach Al-Asrak in Jordanien sind es 862 Kilometer. Ungefähr zehneinhalb Stunden dauert es, errechnet Google Maps, um mit dem Auto vom alten zum neuen Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu fahren. Zumindest theoretisch, die Strecke führt zum Teil durch das Bürgerkriegsland Syrien. Die Verlegung der Bundeswehrmission wird aber viel länger dauern, obwohl sie per Lufttransport erfolgen wird. Denn es müssen nicht nur die 260 deutschen Soldaten nach Jordanien gebracht werden, sondern auch noch sechs Tornado-Jets, ein Tankflugzeug und jede Menge Material. Am heutigen Mittwoch wird das Bundeskabinett über den Umzug entscheiden. Anschließend wird wohl noch der Bundestag darüber beraten. Die wichtigsten Antworten zum bevorstehenden Umzug:

Was macht die Bundeswehr bisher in Incirlik?

Die Bundeswehr leistet vom Luftwaffenstützpunkt Incirlik aus ihren Beitrag im Kampf gegen den IS. Auch US-Soldaten sind hier stationiert. Die Bundeswehr agiert in einer internationalen Koalition. Die Mission heißt „Inherent Resolve“, was in etwa so viel bedeutet wie „natürliche Entschlossenheit“. Deutschland ist vor allem zuständig für Aufklärung. Die sechs Recce-Tornados machen Bilder von IS-Stellungen in Syrien und im Irak. Diese Bilder werden dann von deutschen Soldaten mit einer speziellen Technik ausgewertet. Zudem versorgt ein deutsches Tankflugzeug die Kampfflugzeuge der Alliierten in der Luft mit Treibstoff.

Warum werden die Soldaten jetzt verlegt?

Die Türkei genehmigt keine Besuche der Soldaten durch Bundestagsabgeordnete in Incirlik – unter anderem, weil Deutschland türkischen Offizieren Asyl gewährt, denen Ankara vorwirft, am Putschversuch vor einem Jahr beteiligt gewesen zu sein. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, die Abgeordneten bestimmen über die Einsätze und müssen die Soldaten besuchen können. Zuletzt scheiterte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in Ankara beim Versuch, einen Kompromiss zu finden. Aus Incirlik werden die Deutschen abgezogen, im türkischen Konya werden sie hingegen bleiben. Konya ist ein Nato-Stützpunkt für Awacs-Flugzeuge. Ein Drittel des Personals kommt von der Bundeswehr. Dort sind Besuche durch Bundestagsabgeordnete weiterhin möglich.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Türkei deutschen Abgeordneten den Besuch in Incirlik verweigert. Der Bundestag hatte die Armenien-Resolution verabschiedet, die das Massaker im Ersten Weltkrieg als Völkermord einstufte. Die Bundesregierung möchte also mit der Verlegung nach Jordanien auch einen Teil des Dauerstreits begraben. Für die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD ist es wichtig, dass Incirlik den Oppositionsparteien im Bundestagswahlkampf im Sommer keine Munition gibt. Und doch ist davon auszugehen, dass der Incirlik-Streit die deutsch-türkischen Beziehungen weiter belasten wird. Streitpunkt zwischen Berlin und Ankara ist außerdem die Inhaftierung des deutschtürkischen „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel. Wie schlecht es um das bilaterale Verhältnis steht, machen auch zwei Sätze des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim vom Montag deutlich: „Es gibt keine Entscheidung, die von unserer Seite aus getroffen wurde. Sollen sie machen, wie sie wollen.“

Wie läuft die Verlegung ab?

Der Umzug nach Al-Asrak im Norden Jordaniens wird etwa zwei bis drei Monate dauern. Für diese Zeit wird die internationale Mission ohne deutsche Beteiligung laufen. Das Problem beim Umzug sind nicht die Tornados oder die Soldaten, sondern das Material. Es ist kompliziert, die Auswertungsanlagen für die Bilder, laut Bundeswehr das Herzstück der Mission, zu transportieren. Insgesamt müssen etwa 200 Container nach Al-Asrak geflogen werden. Bis das Tankflugzeug wieder einsatzbereit ist, dauert es hingegen nur zwei bis drei Wochen.

Wie teuer wird der Umzug?

Zu den Kosten für den Umzug macht das Verteidigungsministerium keine Angaben. Die Opposition drängt unterdessen darauf, kein Geld mehr in die Infrastruktur in Incirlik zu stecken. „Mit dem Ende des Mandats muss die Mitfinanzierung des Standorts Incirlik, einschließlich geplanter Baumaßnahmen, unverzüglich enden“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir dieser Zeitung. Die Regierung habe weitreichende Baumaßnahmen in Incirlik geplant. „Sollten noch weitere Zahlungen geplant sein, hat die Bundesregierung davon abzusehen, diese zu leisten.“

Warum wird ein Stützpunkt in Jordanien zur Alternative?

Insgesamt hatte das Verteidigungsministerium acht Stützpunkte ausgemacht, die für die Mission geeignet sind. Davon befinden sich drei in Kuwait, zwei auf Zypern und drei in Jordanien. Letztlich dürfte unter anderem die geografische Lage – Jordanien grenzt im Norden an Syrien und den Irak – den Ausschlag gegeben haben. Zudem sieht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Jordanien als „Bollwerk gegen den Terror“. Amman gilt als Stabilitätsanker im Nahen Osten, arbeitet eng mit der Nato zusammen. In Al-Asrak sind bereits Flugzeuge anderer westlicher Alliierter stationiert. Der Luftwaffenstützpunkt verfügt über zwei lange Landebahnen. Das Fazit der Soldaten, die die Air Base inspiziert haben: gut nutzbar.