Berlin. Das „Paris Agreement“ sollte die globale Energiewende einleiten. Nun sind im Kampf gegen die Erderwärmung neue Allianzen gefordert

Am Ende konnten sie es selbst kaum glauben. Als sich am Abend des 12. Dezember 2015 in Paris zum ersten Mal alle Länder der Welt auf einen gemeinsamen Vertrag zum Klimaschutz einigten, flossen Tränen. Politische Erzfeinde, Klimasünder und Klimaschützer lagen sich in den Armen, denn plötzlich war er da, dieser Vertrag. Die Staaten dieser Welt wollen gemeinsam eine globale Energiewende einleiten, um die Folgen des Klimawandels in Grenzen zu halten. „Historisch, ein Meilenstein!“ – hieß es über das „Paris Agreement“. Und nun? Am Donnerstag kündigte US-Präsident Donald Trump an, aus dem Weltklimavertrag von Paris auszusteigen, weil die Klimaschutzauflagen für die USA zu teuer wären. Was wird nun aus den internationalen Verhandlungen?

Was das Klimaabkommenvon Paris enthält

Das Klimaabkommen von Paris ist im Grunde die Blaupause für den Weg in eine Welt ohne Kohle und Öl. Die finalen Verhandlungen über den am Ende 32-seitigen Text hatten alleine vier Jahre gedauert. Darin bekennen sich 197 Staaten zu einem großen Ziel: Die Erderwärmung soll auf klar unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt werden. Die Vertragsstaaten sollten sich aber anstrengen, sie bei 1,5 Grad zu stoppen. Dazu wollen die Volkswirtschaften der Welt in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts den Ausstoß ihrer Treibhausgase auf null bringen. Das bedeutet: Staaten dürfen nur noch so viele Treibhausgase ausstoßen, wie etwa mit der Anpflanzungen von Wäldern der Atmosphäre entzogen werden. Im Klartext: Schon in wenigen Jahrzehnten müsste die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas enden. Dahinter steckt die Abschätzung der Klimawissenschaft, dass ein Temperaturanstieg von durchschnittlich 1,5 bis zwei Grad die Grenze markiere, ab der die Klimafolgen nicht mehr zu beherrschen seien.

Die eigentliche diplomatische Meisterleistung des Pariser Vertrags bestand darin, die Staaten zur Abgabe von konkreten eigenen Klimaschutzbeiträgen zu bewegen. Nicht Druck, sondern Freiwilligkeit erzielte Wirkung. Das Dokument listet nun unverbindliche Zusagen auf, die von den Staaten gemacht wurden. China und die USA hatten sich zuvor stets geweigert, verbindliche Ziele zu unterschreiben. Um dennoch den Vertrag „nachschärfen“ zu können, wurde ein Instrument beschlossen, das alle fünf Jahre eine Bestandsaufnahme erzwingt und die Möglichkeit vorsieht, strengere Ziele festzulegen.

Das andere große Thema im Pariser Vertrag sind die Finanzen. Im Vertragstext bekennen sich die Industriestaaten zu ihrer historischen Schuld: Ihr ökonomischer Aufstieg gründet sich auf den Ausstoß klimaschädlicher Gase seit Beginn der industriellen Revolution. Als Ausgleich sollen arme und besonders vom Klimawandel betroffene Länder Finanzhilfen erhalten. Im Weltklimavertrag von Paris stimmten die Industriestaaten dem Ziel zu, in der Zeit von 2020 bis 2025 jährlich 100 Milliarden Dollar (rund 90 Milliarden Euro) in einen Klimafonds einzuzahlen. Für die Jahre danach soll es ein höheres Ziel geben. Zusätzlich soll ein weltweites Versicherungssystem aufgebaut werden, um ärmeren Ländern bei Verlusten und Schäden durch Klimafolgen zu helfen. Insbesondere in den Finanzfragen hatten die USA bis zuletzt Änderungen und Abschwächungen erzwungen.

Wie Klimapolitik ohnedie USA aussieht

Schon einmal haben die USA der internationalen Klimapolitik die kalte Schulter gezeigt. 2001 lehnte die US-Regierung unter Präsident George W. Bush die Ratifizierung des sogenannten Kyoto-Protokolls ab. Der Vertrag verpflichtete 37 Industrieländer, bis 2012 ihre klimaschädlichen Treibhausgase zu vermindern und lieferte dazu quasi die Werkzeuge. Das Dokument trat 2005 auch ohne die USA in Kraft. Doch die Blockade lähmte den Fortgang der Klimaverhandlungen über viele Jahre. Genau darin liegt die zerstörerische Kraft der Entscheidung von Donald Trump.

Befürchtet wird eine Sogwirkung auf andere Staaten – insbesondere jene Länder, die bei der Abkehr von den fossilen Energien am meisten verlieren. Saudi-Arabien etwa mit seinen Ölvorräten, oder der Kohleexporteur Australien. Auch fehlt dem Pariser Klimavertrag ohne die USA die Substanz. Die USA sind nach China der weltweit zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen.

Ohne einen Beitrag der Supernation zum Klimaschutz ist die globale Energiewende nicht machbar. So hatte die Administration unter Barack Obama das Ziel ausgegeben, die Emissionen bis zum Jahr 2025 um 26 bis 28 Prozent zu senken – verglichen mit dem Jahr 2005. Das dürfte nicht mehr zu schaffen sein: Im März leitete Trump per Dekret die Abkehr von zahlreichen Regulierungen ein, unter anderem jene, die den CO2-Ausstoß von Kohlekraftwerken deutlich reduzieren sollten.

Doch in der internationalen Klimadiplomatie haben sich Allianzen gebildet. China und die EU gelten nun als neue Klimaachse. Der chinesische Klimaschutzbeauftragte Xie Zhenhua sagte, „kein Land, kein Volk“ könne den weltweiten Trend zu mehr Klimaschutz stoppen. Nachverhandlungen lehnte die EU kategorisch ab: „Es gibt keinen Plan B, denn es gibt keinen Planeten B“ , sagte Maros Sefcovic, stellvertretender Präsident der EU-Kommission.

Klar ist auch: In der Klimapolitik der USA steht nicht das ganze Volk hinter seinem Präsidenten. „Zehn Bundesstaaten und 71 Städte, darunter die größten des Landes, haben sich zu ambitionierter Klimapolitik verpflichtet“, merkt die deutsche Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch an. Der US-Bundesstaat Kalifornien, ein Wirtschaftsriese, will seine strengen Klima- und Umweltgesetze partout nicht aufgeben.

Auch Teile der US-Wirtschaft stellen sich offen gegen die Politik ihres Präsidenten. Tech-Milliardär Elon Musk will seine Beraterfunktion für den US-Präsident aufgeben. Großkonzerne wie Apple und Microsoft hatten Trump noch am Donnerstag in großformatigen Zeitungsanzeigen zum Verbleib der USA im Pariser Klimaschutzabkommen aufgerufen. In ganzseitigen Annoncen, die in der „New York Times“ und dem „Wall Street Journal“ erschienen, mahnten die Unternehmen Trump „dringend“, den Klimapakt nicht aufzukündigen. Von der Teilnahme am Pariser Abkommen profitiere die US-Wirtschaft in vieler Hinsicht. Selbst Ölkonzerne wie Exxon Mobil, BP oder Shell hatten Trump gewarnt, den Platz der USA am Verhandlungstisch nicht aufzugeben. „Wir glauben, dass der Klimawandel echt ist“, sagte Shell-Chef Ben van Beurden. „Wir müssen Teil der Lösung sein.“