Berlin.

Es geht jetzt alles ganz schnell: Schon am Freitag wird SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil kommissarisch das Amt des SPD-Generalsekretärs übernehmen. Sein erstes Interview nach der Berufung gibt der 44-Jährige noch in seinem Bundestagsbüro – erkältet, aber gut vorbereitet.

Herr Heil, Ihre erneute Berufung zum SPD-Generalsekretär ist die große Überraschung der SPD-Personalrochade. Wie überrascht sind Sie selber?

Hubertus Heil: Als ich am Dienstagmorgen aufwachte, wusste ich noch nichts davon. Ich habe am Vormittag von der schlimmen Erkrankung Erwin Sellerings und seinem Rückzug erfahren. Dann kam überraschend das Angebot des Parteivorsitzenden, Generalsekretär zu werden, ich habe nach kurzer Bedenkzeit angenommen.

Sie waren schon einmal vier Jahre Generalsekretär, die Amtszeit endete 2009 mit der schwersten SPD-Niederlage. Warum sollen ausgerechnet Sie jetzt den Wahlkampf in Schwung bringen?

Das waren damals vier bewegte Jahre, die Erfahrungen waren wichtig. Aber die Jahre waren geprägt von innerparteilichen Auseinandersetzungen in der SPD, die uns geschadet haben. Die SPD ist heute geschlossener, sie hat mit Martin Schulz eine klare Nummer eins. Und sie ist entschlossen, die Wahlen zu gewinnen. Die Voraussetzungen sind heute also viel besser, auch für mich persönlich: 2009 habe ich als Generalsekretär zwar politisch im Wahlkampf mitgekämpft, aber die operative Verantwortung lag nicht bei mir. Jetzt bin ich politisch und organisatorisch verantwortlich für den Wahlkampf. Ich traue mir die Aufgabe zu, meine Partei auch.

Was ist Ihre wichtigste Aufgabe?

Ich werde klar und deutlich machen, wo die Alternativen zwischen SPD und Union liegen, ich werde die Themen zuspitzen und damit den Kanzlerkandidaten unterstützen.

Die Ausgangslage ist schwierig: Drei Landtagswahlniederlagen, die SPD und der Kanzlerkandidat in Umfragen im Sinkflug. Was ist schiefgelaufen, wie ändern Sie das?

Die Wahlniederlagen in den Ländern waren ein Schlag, aber die SPD hat sich nicht unterkriegen lassen. Sie ist hoch geschlossen, sie steht in Umfragen immer noch viel besser da als zu Beginn des Jahres. Wir werden Ende Juni unser Regierungsprogramm beschließen, dann muss auch die Union endlich mal programmatisch die Karten auf den Tisch legen. Dann kann man vergleichen. Die Bundestagswahl wird auf den letzten Metern entschieden. Es geht um klare Alternativen in der Demokratie. Da kann Deutschland Vorbild sein für andere Länder in Europa.

Wird die von Ihnen repräsentierte Wirtschafts- und Bildungspolitik ein neuer Schwerpunkt in der SPD-Kampagne?

Martin Schulz hat das Thema Gerechtigkeit in den Mittelpunkt gestellt, dabei bleibt es: Es geht um gerechte Verteilung – etwa um die paritätische Finanzierung bei der Krankenversicherung – und um Leistungs- und Zukunftsgerechtigkeit. Beispiel Bildung: Wir haben das Kooperationsverbot im Grundgesetz aufgehoben, jetzt brauchen wir eine Allianz zwischen Bund, Ländern und Kommunen, um Bildungschancen von Kindern in ganz Deutschland zu verbessern – unabhängig von Wohnort und sozialer Herkunft. Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsschulbetreuung. Wir werden zeigen, dass soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Erfolg sich wechselseitig bedingen.

Was kann die Wirtschaft von der SPD erwarten?

Die Wirtschaft braucht Unterstützung beim digitalen Strukturwandel. Die SPD steht für eine starke Mittelstandspolitik, es geht um Fachkräftesicherung oder die steuerliche Förderung von Forschung. Unser wirtschaftlicher Erfolg hängt am Erfolg Europas: Wir müssen deshalb mit mehr öffentlichen und privaten Investitionen die Krise in Europa überwinden helfen. Nur wenn wir Europa wirtschaftlich und politisch stärken, werden wir unsere Freiheit, unseren Wohlstand und unseren sozialen Zusammenhalt in der unsicheren Welt von heute behaupten können. Das ist im deutschen Interesse, und dafür steht Martin Schulz.

Sie haben am Konzept zu Steuern und Abgaben mitgearbeitet. Will die SPD nun Steuerentlastungen?

Das Konzept legen wir in den nächsten Wochen vor. Wir werden mit Sicherheit keine allgemeinen Steuersenkungen für alle versprechen. Das wäre nicht verantwortlich – auch weil der Staat massiv in Bildung und Infrastruktur investieren muss. Aber wir wollen Spielräume nutzen, um gezielt bei unteren und mittleren Einkommen zu entlasten. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Vernunft.

Sind Sie für ein Fairnessabkommen?

Ich halte das für eine gute Idee. Wir haben erlebt, dass Wahlkämpfe von rüden Attacken, Beleidigungen und Fake-News geprägt waren. Ich bin nicht sicher, ob wir mit den anderen demokratischen Parteien ein solches Abkommen noch hinbekommen. Aber immerhin haben wir schon die Absprache, keine social bots im Wahlkampf einzusetzen. Ich bin für eine harte und faire Auseinandersetzung – klare inhaltliche Kontroversen müssen sein, aber persönliche Herabwürdigungen sollten wir unter Demokraten bleiben lassen.