Berlin.

Angesichts der Spannungen im Verhältnis zu den USA – vor allem auch was die Wirtschaftsbeziehungen betrifft – erscheinen die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Erde, China und Indien, als interessante Partner. Indiens Ministerpräsident Narendra Modi traf am Montag zu Regierungskonsultationen in Berlin ein. Sein chinesischer Kollege Li Keqiang wird am Mittwoch folgen. Doch unproblematisch sind die Beziehungen zu den asiatischen Riesen längst nicht.

Die deutsche Wirtschaft etwa verlangt von Indien weitere Reformen und eine stärkere Marktöffnung. „Mangelnde Rechtssicherheit, eine schwerfällige Verwaltung und fehlende Infrastruktur“ machten Unternehmen Investitionen in dem Land sehr schwer, meint der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA), Hubert Lienhard. Dies gelte insbesondere für kleine und mittelständische Firmen.

„Mit Blick auf Zölle und weitere Handelshemmnisse muss Indien sich stärker öffnen, damit unsere Unternehmen ihr Engagement im Land ausbauen“, sagt Lienhard anlässlich des Indo-German Business Summit 2017 mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Modi an diesem Dienstag. Er forderte, die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien schnell wieder aufzunehmen. Nach einer aktuellen Studie würde die deutsche Wirtschaft von solch einem Freihandelsabkommen kräftig profitieren.

Bereits seit 2007 laufen die Verhandlungen mit der EU

Deutschland könne in diesem Fall mit einem um jährlich 4,6 Milliarden Euro höheren Bruttoinlandsprodukt kalkulieren, berechnete das Ifo-Institut im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Dies sei das höchste mögliche Plus innerhalb der Europäischen Union nach Großbritannien, das aufgrund seiner Kolonialgeschichte besondere Beziehungen mit Indien pflegt. Ein Abkommen hätte nicht nur ökonomische Vorteile für beide Seiten, sondern würde ein wichtiges Zeichen für den Freihandel setzen, sagte Bertelsmann-Asienexpertin Cora Jungbluth mit Blick auf den Brexit und Abschottungstendenzen der USA unter Präsident Donald Trump.

Bereits seit dem Jahr 2007 laufen die Verhandlungen zwischen Indien und der EU, liegen jedoch seit 2013 auf Eis. Die größten Hemmnisse aus deutscher Sicht liegen im Auto- und Pharmasektor. Wer fertig montierte Pkw nach Indien einführt, zahlt dafür je nach Größe des Fahrzeugs zwischen 60 und 100 Prozent des Neupreises. Die Europäische Union würde diese Hürden auf lange Sicht gern abschaffen. Indien sähe darin aber eine Gefahr für die heimische Produktion, auch durch ausländische Firmen, die – zum Teil abgeschreckt durch die hohen Zölle – indische Standorte aufgebaut haben.

In der Pharmabranche hakt es besonders beim geistigen Eigentum. Indiens große Industrie für Generika (Nachahmer-Medikamente), die nach Ablauf des Patentschutzes von Originalmitteln günstig auf den Markt kommen, wird geschützt durch strikte Gesetze. Trotz Patentschutzes können indische Gerichte etwa anordnen, dass ausländische Konzerne Zwangslizenzen an Generika-Hersteller vergeben müssen.

Indien ist eines der am schnellsten wachsenden Schwellenländer. In diesem Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent erwartet. Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Indien betrug laut APA im vergangenen Jahr rund 17 Milliarden Euro. Davon waren knapp zehn Milliarden Euro deutsche Exporte. Der Bestand deutscher Investitionen in Indien belief sich Ende 2015 auf knapp 13 Milliarden Euro.

In China ist die Problemlage für ausländische Investoren ganz ähnlich. Hinzu kommen die Einparteienherrschaft der Kommunisten mit ihrer undurchsichtigen Bürokratie und das Großmachtstreben Pekings in der Region.

An Gesprächsthemen herrscht bei den Regierungskonsultationen mit beiden Ländern kein Mangel.