Islamabad überprüft nach dem mutmaßlichen Nato-Angriff, bei dem 24 pakistanische Soldaten starben, die Zusammenarbeit mit dem Westen.

Islamabad. Nach einem mutmaßlichen Nato-Luftangriff auf pakistanische Soldaten mit 24 Toten stellt Islamabad die Zusammenarbeit mit dem Westen auf den Prüfstand. Es sollen alle diplomatischen, militärischen und wirtschaftlichen Kooperationen mit den USA und anderen Nato-Mächten geprüft werden, teilte die Regierung am Sonnabend nach einem Krisentreffen ihres Verteidigungsausschusses mit.

Als Reaktion auf den tödlichen Vorfall im Nordwesten des Landes schloss Pakistan außerdem eine wichtige Nato-Nachschubroute und forderte die USA zur Räumung des Luftwaffenstützpunktes Shamsi in der Provinz Baluchistan binnen 15 Tagen auf. Der US-Auslandsgeheimdienst CIA soll den Stützpunkt als Basis für sein Drohnenprogramm gegen Kämpfer der Taliban und des Terrornetzwerks Al-Kaida in den pakistanischen Stammesgebieten nutzen.

Die Nato kündigte eine Untersuchung des Vorfalls an der Grenze zu Afghanistan an. In einer Erklärung vom Sonnabend sprach der Oberbefehlshaber der Nato-Schutztruppe ISAF in Afghanistan, John Allen, sein Bedauern über mögliche Tote oder Verletzte unter den pakistanischen Sicherheitskräften aus. Zu dem tödlichen Angriff bekannte sich das Militärbündnis mit Verweis auf die fortdauernde Untersuchung aber nicht.

Die pakistanischen Streitkräfte erklärten am Samstag in einer Stellungnahme, die Nato-Hubschrauber hätten am Vorabend in der Stammesregion Mohmand willkürlich das Feuer auf zwei Kontrollposten eröffnet. Sie seien nicht provoziert worden. Das staatliche Fernsehen berichtete von 24 getöteten Soldaten. Zwei Behördenmitarbeiter in Mohmand bestätigten diese Angaben. 13 weitere Soldaten seien verletzt worden.

Gewährspersonen in Mohmand und Peshawar sagten, die Hubschrauber hätten zwei etwa 300 Meter voneinander entfernte Kontrollpunkte angegriffen. Ein Posten sei zwei Mal angegriffen worden. Unter den Todesopfer seien zwei Offiziere. Der Gouverneur der Provinz Khyber Pakhtunkhwa protestierte gegen einen "Angriff auf die pakistanische Souveränität“.

Der pakistanische Ministerpräsident Yusuf Raza Gilani sprach von einem "schweren und inakzeptablen“ Akt. Seine Regierung werde von der Nato und den USA aufs Schärfste eine Erklärung verlangen, hieß es in einer Stellungnahme. Aus Protest berief Gilani den US-Botschafter in Pakistan, Cameron Munter, ein, wie das Außenministerium in einer Stellungnahme mitteilte.

Die Kontrollposten im Dorf Salala seien erst kürzlich errichtet worden, um pakistanische Taliban am Grenzübertritt zu hindern, sagten Maqsood Hasan und Hamid Khan aus der örtlichen Verwaltung. Die pakistanischen Streitkräfte machen die Taliban für zahlreiche Angriffe auf Soldaten im Grenzgebiet verantwortlich.

Ein Nato-Sprecher in Kabul sagte der britischen Rundfunkanstalt BBC, man untersuche den Vorfall. "Höchstwahrscheinlich“ habe eine vom Militärbündnis und den afghanischen Streitkräften angeforderte Luftunterstützung zu pakistanischen Todesopfern geführt, sagte Sprecher Carsten Jacobsen.

Im vergangenen Jahr gab es schon einmal einen ähnlichen Vorfall, als ein US-Hubschrauber versehentlich zwei pakistanische Soldaten tötete. Das führte zu einer erheblichen Belastung der Beziehungen zwischen den USA und Pakistan. Pakistan schloss vorübergehend die Grenze und unterbrach damit für zehn Tage die Versorgung der Nato-Truppen in Afghanistan. Die USA entschuldigten sich schließlich.

Auch am Samstag wurden die beiden Grenzübergange zum benachbarten Afghanistan geschlossen, wie Zollbeamte erklärten. Es habe eine mündliche Anweisung gegeben, alle Nachschublieferungen der Nato zu stoppen. Die nun geschlossene Route führt über den Khyber-Pass, über den die Nato etwa 30 Prozent ihrer Nachschublieferungen für die Truppen in Afghanistan abwickelt.

Der jüngste Vorfall dürfte die Beziehung zwischen Islamabad und Washington weiter strapazieren. Das Verhältnis hatte bereits unter der Tötung des Al-Kaida-Führers Osama bin Laden durch ein Kommando der US-Spezialkräfte in Pakistan deutlich gelitten.

Von Riaz Khan und Sebastian Abbot