Berlin.

Es ist fast vier Jahre her, da standen sie vor den eigenen Leuten. Parteichef Philipp Rösler, Außenminister Guido Westerwelle, Spitzenkandidat Rainer Brüderle. Es war kurz nach 19 Uhr, an diesem Septemberabend 2013. Auf der Wahlparty der Liberalen drängten sich die Anhänger vor das Podium, aber niemand jubelte. Es war still. Brüderle trat als Erster der drei FDP-Größen von damals nach vorne ans Mikrofon. Seine ersten Worte waren: „Heute ist ein schwieriger Abend.“ Es war ein milder Satz für das, was manche das Ende dieser Partei nannten, vielleicht die letzte Stunde des Liberalismus in Deutschland. Die FDP war das erste Mal in ihrer Geschichte am Einzug in den Bundestag gescheitert.

An diesem Sonntag steht Wolfgang Kubicki auf der Bühne in der Bundesgeschäftsstelle der FDP in Berlin, das sie seit diesem Jahr Hans-Dietrich-Genscher-Haus nennen. Auch heute ist der Saal bis zu den Türen voll. Und diesmal jubeln die Anhänger der Parteispitze zu. Kubicki tritt vor das Mikrofon, spricht vom „Meilenstein“ auf dem Weg zur Bundestagswahl. „Die Liberalen sind im Plan.“ Und viele Liberale sagen an diesem Abend: „Wir sind wieder da!“ Seit Jahrzehnten war die FDP bei einer Wahl in Nordrhein-Westfalen nicht mehr so stark. Aber reicht der Wahlerfolg des 38 Jahre alten Parteichefs und Spitzenkandidaten Christian Lindner für einen Wiedereinzug in den Bundestag?

Die FDP ist heute vor allem eine Lindner-Partei

Über den Westen zurück in den Bundestag – das ist das Credo von Lindner. Mit dem Wahlerfolg in Düsseldorf hat er einen weiteren wichtigen Schritt getan. Schon vor einer Woche, als die Liberalen bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein mit Kubicki ein gutes Ergebnis einholten, meldete sich die FDP mit Ansprüchen zurück. Seit diesen Wochen wird nun auch in Berlin in den Parteien diskutiert: Gibt es eine Chance auf eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP im Bund? Oder vielmehr: ein Bündnis von CDU, Grünen und FDP? Oder gar: eine Neuauflage der schwarz-gelben Koalition? Im Bund hat die Partei keine Option ausgeschlossen.

Klar ist aber: Ihr Favorit ist ein Bündnis mit der Union. Dafür würde es allerdings – Stand heute – nicht reichen. In Umfragen zur Bundestagswahl stehen sie derzeit zwischen sechs und acht Prozent. Aber: Das politische Berlin kalkuliert wieder mit den Liberalen.

Und Berlin redet vor allem über ihren Chef. Im Moment ist die FDP eine Lindner-Partei. Er ordnete nach 2013 maßgeblich das Programm neu, setzte auf die Themen Bildung und Digitalisierung – vor allem mit Schulpolitik können Parteien punkten, allerdings eher in den Bundesländern als bei der großen Wahl im Bund. Auch die Steuersenkungen blieben im Programm der Liberalen, aber sie sind nur noch eines unter vielen Themen.

Neu ist: Die Lindner-FDP fordert ein Ende der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei, greift die Union bei der Euro-Politik an. Eine Agentur pinselte den blau-gelben Liberalen ein grelles Magenta ins Logo. Aber reicht der Neuanstrich, um sich neben der starken CDU, neben der Schulz-SPD und der rechten AfD zu positionieren?

Am Wahlabend sagt Lindner: „Wenn eine kleine Partei so stark an Gewicht gewinnt, dann wächst auch ihre Verantwortung.“ Das Ergebnis sei keine „Belohnung, sondern ein Auftrag, genauso weiterzumachen wie in den vergangenen Jahren“. Einen Auftrag, den die FDP im Bundestagswahlkampf auch mit ihm an der Spitze erfüllen will. Lindner will nicht in Düsseldorf bleiben. Er will zurück nach Berlin.

Er war FDP-Generalsekretär, aber als es mit den Liberalen bergab ging, zog er sich zurück. In den Westen. Nach der Niederlage im Bundestag sagte er: „Das letzte Bild der Geschichte der FDP, das wird nicht der Jubel der Grünen über unser Ausscheiden sein.“ An diesem Wahlsonntag in Nordrhein-Westfalen lacht Christian Lindner. Und die Grünen stehen vor einem schlechten Wahlergebnis. Sie sind in einer Krise. In NRW verliert die Partei deutlich an Sitzen im Vergleich zu Wahl im Jahr 2012, das Bündnis mit der SPD ist am Ende.

Die AfD steht zwischen Ehrgeiz und Ernüchterung. Zwar erreicht die Partei den Einzug in NRW und steht auch im Bundestrend deutlich vor der Fünf-Prozent-Hürde. Doch die Rechtspopulisten ringen intern um die Macht, im Bund wächst ausgerechnet AfD-Erzfeind Angela Merkel zu neuer Kraft, die eigenen Werte sinken. AfD-Chefin Frauke Petry bilanziert am Wahlabend: „Wir wünschen uns für die Bundestagswahl mehr. Wir sind aber sehr zufrieden.“

Bei den Linken ist man nicht zufrieden. Parteichef Bernd Riexinger greift die Konkurrenz an. Der in NRW abgewählten SPD habe es „nix gebracht, sich so extrem von den Linken abzugrenzen“. Dann sagt der Linke-Chef noch: Die SPD bekomme keine Glaubwürdigkeit, „wenn sie meint, mit der FDP soziale Gerechtigkeit machen zu können“. Es sind Worte, die Verärgerung über die SPD zeigen. Aber auch die Sorge vor einer wiedererstarkten FDP.