Berlin.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die Bundesbürger aufgerufen, sich selbstbewusst zu einer deutschen Leitkultur zu bekennen und sie vorzuleben. „Wer sich seiner Leitkultur sicher ist, ist stark“, schrieb de Maizière in der „Bild am Sonntag“. Wenn diese eigene Kultur „uns im besten Sinne des Wortes leitet, dann wird sie ihre prägende Wirkung auf andere entfalten. Auch auf die, die zu uns kommen und bleiben dürfen“.

Der Innenminister erhielt aus den eigenen Reihen Zustimmung. Der politische Gegner sieht in der von de Maizière angestoßenen Debatte um eine Leitkultur dagegen vor allem Wahlkampf und rechte Stimmungsmache.

De Maizière nannte einen Katalog von zehn Punkten, der jenseits von Grundrechten und Grundgesetz nach seiner Einschätzung die Leitkultur ausmacht. Dies seien keine Rechtsregeln, „sondern ungeschriebene Regeln unseres Zusammenlebens“. Unter anderem hob er hervor, dass Deutschland eine „offene Gesellschaft“ sei. „Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka.“

In Deutschland sei „Religion Kitt und nicht Keil der Gesellschaft“. Kirchliche Feiertage „prägen den Rhythmus des Jahres. Kirchtürme prägen unsere Landschaft“. Gleichwohl sei Deutschland weltanschaulich neutral. „Für uns sind Respekt und Toleranz wichtig.“ Zum Mehrheitsprinzip gehöre der Minderheitenschutz. Gewalt werde grundsätzlich nicht akzeptiert. „Wir verknüpfen Vorstellungen von Ehre nicht mit Gewalt.“ Die Deutschen „sind aufgeklärte Patrioten. Ein aufgeklärter Patriot liebt sein Land und hasst nicht andere.“ Zur Leitkultur gehörten zudem ein gewisses Bildungsideal, der Leistungsgedanke, das Erbe der deutschen Geschichte mit dem besonderen Verhältnis zu Israel und der kulturelle Reichtum, so de Maizière.

Aus den Reihen von SPD, FDP und Grünen kam Widerspruch. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley erklärte: „Unsere Leitkultur heißt Grundgesetz. Darin sind alle wichtigen Aspekte des Zusammenlebens in Deutschland geregelt. Die Gleichstellung von Mann und Frau, die Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit sowie das Gewaltmonopol des Staates.“ De Maizière bediene mit seinen Thesen „nur rechte Ressentiments“. FDP-Chef Christian Lindner sagte, de Maizière wolle lediglich Wahlkampf machen: „Der Beitrag von Herrn de Maizière ist ein Ablenkungsmanöver. Die CDU bringt eine moderne Einwanderungspolitik mit gesetzlicher Grundlage nicht zustande. Stattdessen werden jetzt alte Debatten aufgewärmt.“

Der frühere Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) nannte im Kurznachrichtendienst Twitter den Vorstoß „pure rechte Stimmungsmache“. Aus Sicht von Grünen-Chefin Simone Peter braucht Deutschland keine Debatte über eine Leitkultur, sondern „eine neue Innenpolitik, die Integration voranbringt, rechte Netzwerke prüft und islamistische Gefährder im Auge hat“, wie sie im Kurznachrichtendienst verbreitete.

Zustimmung kam aus der Union: CDU-Vize Thomas Strobl sagte, der Einwurf sei „goldrichtig“. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn erklärte: „CDU und CSU stehen für ein klares Bekenntnis zu unserer Leitkultur. Gerade weil wir durch Zuwanderung und gesellschaftliche Offenheit vielfältiger werden, brauchen wir die Leitkultur als das einigende Band.“