Berlin/paris.

Am Ende war es doch überraschend schnell klar: Der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron und die rechtsextreme Anwärterin Marine Le Pen ziehen am 7. Mai in die Stichwahl um die französische Präsidentschaft ein. Das ergaben mehrere Hochrechnungen am Sonntagabend nach der ersten Wahlrunde. Damit blieben die Spitzenvertreter der bislang tonangebenden Konservativen und Sozialisten auf der Strecke – das gab es in der französischen Nachkriegsgeschichte noch nie. Macron und Le Pen ließen sich am späten Abend von ihren Anhängern feiern. Doch auf den Nachfolger von Präsident François Hollande warten gewaltige Probleme. Hier eine Übersicht über die größten Baustellen und die Rezepte der Bewerber:

Hohe Arbeitslosigkeit

Die dramatische Situation am Arbeitsmarkt ist seit Jahren eine der größten Herausforderungen für Frankreich. Die Arbeitslosenquote liegt bei zehn Prozent und damit rund zweieinhalb Mal so hoch wie in Deutschland. Vor allem junge Menschen haben es schwer, einen Job zu finden – hier liegt die Quote der Arbeitssuchenden bei knapp 24 Prozent, in Deutschland sind es 6,6 Prozent.

Emmanuel Macron will die Beschäftigung vor allem durch ein öffentliches Investitions-Programm in Höhe von 50 Milliarden Euro ankurbeln. Ein knappes Drittel davon soll in Fortbildungsmaßnahmen für Jugendliche und Arbeitslose fließen. Ferner will er das Arbeitsrecht lockern. Marine Le Pen setzt hingegen auf den Schutz der heimischen Unternehmen. Firmen, die Ausländer beschäftigen, will sie mit zusätzlichen Abgaben belasten. Sie präsentiert sich als Retterin der sterbenden Industrien wie Kohle und Stahl.

Wachstumsschwäche

Frankreichs Wirtschaft kommt nicht richtig in die Gänge. Die Konjunktur hinkte in den vergangenen drei Jahren in der Eurozone hinterher. 2016 lag das Wachstum bei 1,1 Prozent, die Eurozone kam dagegen nach Schätzungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf 1,7 Prozent.

Neben einem milliardenschweren öffentlichen Investitions-Programm baut Macron auf eine Angleichung der europäischen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. So sollen soziale Mindeststandards erstellt werden. Zudem schlägt er einen gemeinsamen Korridor für Unternehmenssteuersätze vor. In einem Interview mit dieser Redaktion kritisierte er die deutschen Handelsüberschüsse als „nicht tragbar“ und forderte einen Ausgleich.

Le Pen will die französische Industrie gegen den rauen Wind der Globalisierung schützen. Sie hat die von US-Präsident Donald Trump geplanten Importzölle gelobt. Darüber hinaus plant sie einen Austritt Frankreichs aus der Euro-Zone und die Wiedereinführung des Franc. Davon verspricht sie sich einen Aufschwung für die französische Wirtschaft. Ein Referendum soll über den Ausstieg des Landes aus der EU entscheiden.

Schuldenberg

Um die Jahrtausendwende lagen Frankreich und Deutschland beim Schuldenstand noch gleichauf. Doch seitdem ist Frankreichs Defizit durch die Decke gegangen. Inzwischen türmt sich der Schuldenberg auf 96 Prozent der Wirtschaftskraft, Tendenz steigend. In Deutschland sind es gut 68 Prozent, Tendenz sinkend. Frankreich leistet sich das größte Beamtenheer der westlichen Welt. Jeder fünfte Arbeitnehmer gehört dem öffentlichen Dienst an.

Macron will die öffentlichen Haushalte durch Strukturreformen entlasten. 60 Milliarden Euro sollen eingespart und 120.000 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden. Im Gegensatz dazu verspricht Le Pen mehr Wohltaten wie eine Herabsetzung des Renteneintrittsalters und eine Erhöhung des Mindestlohns.

Reformstau

Versuche, das Land zu reformieren, stoßen oft auf heftigen Widerstand. Für Betriebe ist es schwer, Entlassungen vorzunehmen. Dies liegt am traditionell starken Einfluss der Gewerkschaften. Deshalb ziehen es die Unternehmen vor, neue Stellen vor allem auf befristeter Basis zu schaffen. Die 35-Stunden-Woche untergräbt die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ebenso wie zu starre Vorgaben für Firmen.

Macron will erreichen, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Betriebsebene über eine Lockerung des Kündigungsschutzes verständigen können. Die 35-Stunden-Woche soll aber unangetastet bleiben. Le Pen hält von sozialpolitischen Reformen nichts. Im Gegenteil: Sie plädiert für einen Ausbau des Sozialstaats und Abschottung gegenüber der Globalisierung.

Terror

Die beispiellose Serie islamistischer Anschläge seit Anfang 2015 hat Frankreich tief erschüttert, 238 Menschen wurden ermordet. Im Land gilt der Ausnahmezustand.

Macron sucht den Dialog mit der muslimischen Gemeinde in Frankreich und will Polarisierung vermeiden. Dennoch verlangt auch er 10.000 zusätzliche Polizeistellen zum Schutz gegen den Terror. Le Pen ist das zu wenig: Sie will die Zahl der Ordnungshüter um 15.000 erhöhen. Zudem macht sie sich für härtere Gefängnisstrafen stark. Alle Ausländer, die ein Verbrechen begehen oder eines Vergehens beschuldigt werden, sollen sofort außer Landes gebracht werden.

Einwanderung und Identität

Einwanderung und Integration, der Platz der Religion (und vor allem des Islam) in der Gesellschaft und die Werte der Republik sind in Frankreich seit Jahren ein Reizthema. Das zeigte etwa die bizarre, aufgeheizte Debatte um lokale Verbote von „Burkinis“ (Ganzkörper-Schwimmanzüge für Musliminnen) im vergangenen Sommer an der Côte d’Azur.

Macron hat die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gelobt. Doch auch er will keine unbeschränkte Aufnahme von Migranten. Le Pen spricht sich hingegen für einen sofortigen Aufnahme-Stopp aus.