Berlin.

Passagiere internationaler Flüge von und nach Deutschland werden schon bald einer gründlicheren Sicherheitskontrolle unterzogen: Fluggesellschaften müssen dann den Sicherheitsbehörden rechtzeitig einen umfangreichen Datensatz jedes Reisenden zur Überprüfung übermitteln – die Informationen sollen auch mit den Behörden anderer EU-Staaten ausgetauscht werden.

Ein entsprechendes Fluggastdatengesetz soll der Bundestag am Donnerstag beschließen. Doch kurz vor der Entscheidung schlägt die Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Andrea Voßhoff, Alarm: Sie fordert den Bundestag auf, den Beschluss zu verschieben. Voßhoff hat nicht nur rechtliche Zweifel an einzelnen Regelungen, sie erwartet auch, dass der Europäische Gerichtshof in Kürze neue Beschränkungen für das Vorhaben verlangen könnte.

Die Datenschutzbeauftragte erklärt in einem Schreiben an den Bundestag, das dieser Zeitung vorliegt: „Das Inkrafttreten des Fluggastdatengesetzes würde bedeuten, dass jährlich Fluggastdaten zu etwa 170 Millionen Passagieren in Deutschland unterschiedslos abgeglichen und über 5 Jahre gespeichert würden.“ Das Vorhaben kombiniere zwei Datenschutzprobleme im Sicherheitsbereich. Eine weitere Vorratsdatenspeicherung und den Abgleich mit einem abstrakten Gefährderprofil. Die Verabschiedung sei zum jetzigen Zeitpunkt „verfrüht“.

Bundesregierung und Koalition stehen indes unter Zeitdruck: Der Datenaustausch muss spätestens im Mai 2018 starten, so sieht es die entsprechende EU-Richtlinie vor. Die technische Vorbereitung aber ist aufwendig. Die EU-Richtlinie soll im Kampf gegen Terror und schwere Kriminalität den Austausch von Erkenntnissen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten verbessern. Die Bundesregierung spricht von der Möglichkeit, Beweismittel zu sammeln, Komplizen von Straftätern oder kriminelle Netzwerke aufzuspüren.

In der Praxis müssen bis zu 60 Einzelinformationen zu jedem Passagier übermittelt werden, der von Deutschland ins Ausland fliegt oder von dort einreist, auch innerhalb des EU-Schengenraums. Gefragt sind etwa Anschriften und Kontaktdaten, Gepäckangaben, Ausweisnummern, Kreditkartendaten, Reiseverlauf, Sitzplatz, Essenswünsche, Mitreisende. Die Daten soll das BKA mit anderen Beständen, etwa dem europäischen Fahndungssystem SIS, abgleichen. Eine Übermittlung an Nachrichtendienste ist möglich, der Austausch mit anderen EU-Staaten auch. Über Flugpassagiere aus bestimmten Staaten erhält die Bundespolizei auch heute vorab Daten, allerdings erheblich weniger. Neu ist, dass alle Datensätze auch mit einem Muster-Gefährderprofil abgeglichen werden. „Die Daten dienen dem Generieren von Verdächtigen, also dem Aufspüren von Reisenden, die eine Gefahr darstellen könnten und den Sicherheitsbehörden noch nicht bekannt waren“, schreibt Voßhoff.

Ob dieser Abgleich mit der europäischen Grundrechtecharta vereinbar sei, „ist noch nicht geklärt“, meint die frühere CDU-Politikerin. Auch deshalb solle jetzt das Gutachten des EU-Gerichtshofs abgewartet werden, bei dem es um den Fluggastdatenaustausch mit Kanada geht. Folge der Gerichtshof der Stellungnahme des Generalanwalts, werde dieses Abkommen verworfen – was erhebliche Auswirkungen auf das deutsche Gesetz hätte. Voßhoff moniert zudem, dass die Datenprüfung auch alle innereuropäischen Flüge erfassen soll, was die EU-Richtlinie nicht zwingend vorschreibt. Die Kritik ist Wasser auf die Mühlen der Opposition, die das Gesetz für rechtswidrig hält. BKA-Präsident Holger Münch verspricht sich von den Daten dagegen „großen Mehrwert“ für effektive Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Erfahrungen mit solchen Systemen in den USA oder Großbritannien zeigten, dass Terrorverdächtige schon vor der Einreise im jeweiligen Abflugland identifiziert würden.