Kairo. Bei zwei Anschlägen gegen christliche Kopten sterben mindestens 44 Menschen

Horror und Entsetzen in Ägypten. Mit einem verheerenden Doppelanschlag in Tanta und Alexandria haben zwei Selbstmordattentäter am Sonntag mindestens 44 Menschen mit in den Tod gerissen und mehr als hundert verletzt. Die Terrortat in der voll besetzten Mar-Girgis-Kirche in Tanta, einer Stadt im Nildelta, ereignete sich während des Gottesdienstes am Palmsonntag, mit dem im christlichen Kalender die Karwoche vor Ostern beginnt. Ein Video unmittelbar vor der Explosion zeigt einen Männerchor beim Gesang, als ein lauter Knall zu hören ist und die Bilder abbrechen. Auf Fotos nach dem Anschlag sind eilends mit Papier abgedeckte Leichen zu sehen, blutbespritzte Kalkwände und zerfetzte Kirchenbänke. Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler wurde die Bombe in den vorderen Reihen und damit möglichst nahe am Altar gezündet.

Kurze Zeit später explodierte eine weitere Bombe nahe der St.-Markus-Kathedrale in Alexandria, allerdings außerhalb des Gotteshauses. Dieser Anschlag, der mindestens elf Menschen das Leben kostete, darunter mehrere Polizisten, galt offenbar dem koptischen Papst Tawadros II., der die Bischofskirche jedoch kurz zuvor nach Ende der liturgischen Feier verlassen hatte. Das Oberhaupt der Kopten blieb unverletzt. Der Palmengottesdienst erinnert an den Einzug Jesu nach Jerusalem, bei dem ihm die Bewohner huldigten, um ihn wenige Tage später als Gotteslästerer ans Kreuz zu schlagen. Beide Mordtaten, die weltweit Abscheu und Empörung auslösten, sind der bisher schwerste Terrorangriff auf die koptische Minderheit, die etwa zehn Prozent der rund 92 Millionen Einwohner ausmacht. Am Nachmittag bekannte sich der „Islamische Staat“ (IS) über seine Amaq-Website zu den Anschlägen. Er drohte am Abend mit neuer Gewalt gegen Christen; die „Kreuzzügler“ und „Ungläubigen“ würden mit dem Blut ihrer Söhne bezahlen. Staaten der arabischen Welt wie Jordanien, Katar und Bahrain verurteilten die Selbstmordanschläge. Libanons Premierminister Saad Hariri nannte die Tat einen „Angriff auf die Werte aller Religionen“. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi rief den Nationalen Verteidigungsrat des Landes zusammen und kündigte am Abend einen dreimonatigen Ausnahmezustand an.

Die sunnitische Lehranstalt al-Azhar sprach von einem „widerlichen Verbrechen gegen alle Ägypter, was sämtliche Prinzipien von Menschlichkeit und Zivilisation verhöhnt“.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte, das Kalkül der Täter, einen Keil in das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen zu treiben, dürfe nicht aufgehen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat seine Solidarität mit den koptischen Christen zum Ausdruck gebracht.

Papst Franziskus, der am 28. und 29. April zu einem zweitägigen Besuch in Kairo erwartet wird, übermittelte Tawadros II. sein Beileid. Möge Gott die Herzen derjenigen bekehren, „die Terror, Gewalt und Tod verbreiten“, sagte er beim Mittagsgebet nach dem Palmgottesdienst im Petersdom. Franziskus ist neben dem katholisch-orthodoxen auch der christlich-islamische Dialog ein besonderes Anliegen. Mit seiner geplanten Kairo-Reise erwidert der Pontifex die Visite des obersten sunnitischen Glaubenshüters, Großimam Ahmed al-Tayyeb, im Mai 2016 im Vatikan. Beide Kirchenführer wollen mit ihrem Treffen ein Zeichen setzen gegen Fanatismus und Gewalt in Namen von Religion. Dabei warnt Franziskus jedoch immer wieder vor pauschalen Urteilen über den Islam. Die Gewalt werde von einzelnen Extremistengruppen verübt und dürfe keinesfalls der gesamten Religion zugerechnet werden, sagte er.