Straßburg/London. Bundespräsident betont Deutschlands Rolle in Europa. Außenminister Gabriel zweifelt an Fahrplan Großbritanniens

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat vor dem EU-Parlament in Straßburg zum Zusammenhalt nach dem Brexit aufgerufen und Deutschlands Verantwortung für die Zukunft Europas hervorgehoben. Den britischen EU-Austritt kritisierte er am Dienstag als falsche und bittere Entscheidung. „Es ist unverantwortlich zu sagen, in dieser Welt könne ein europäisches Land allein und ohne die EU seine Stimme hörbar machen oder seine wirtschaftlichen Interessen besser durchsetzen“, sagte Steinmeier.

„Wir Deutsche wollen die Europäische Union zusammenhalten“, betonte Steinmeier. „Wir wollen an der gemeinsamen Zukunft in Europa bauen, gemeinsam mit unseren Partnern, den großen wie den kleinen.“ Und er warnte vor nationalen Alleingängen: „Wenn wir Europa nicht zum vollwertigen Mitspieler auf der Weltbühne machen, dann werden wir alle einzeln zum Spielball anderer Mächte“, sagte Steinmeier in seiner mit viel Beifall bedachten Rede vor den Abgeordneten. Unverantwortlich sei es, den Menschen vorzugaukeln, Gefahren wie Terrorismus oder Klimawandel mit Mauern und Schlagbäumen bannen zu können.

In seiner ersten größeren Rede im Ausland als Bundespräsident beschwor Steinmeier das Vermächtnis der Mütter und Väter Europas. „Dieses kostbare Erbe, das dürfen wir nicht preisgeben und nicht den Gegnern Europas überlassen“, sagte er. Besonders Deutschland müsse diese Verpflichtung ernst nehmen. „Wir wissen, was wir Europa zu verdanken haben“, betonte er. „Das geeinte Europa ist die einzig gelungene Antwort auf unsere Geschichte und unsere Geografie.“ Nicht für alle, aber für die meisten Menschen in Deutschland sei Europa eine Herzenssache. „Wir Deutsche wollen die Europäische Union zusammenhalten.“ Steinmeier setzte sich auch mit einer Äußerung von US-Präsident Donald Trump auseinander. Der hatte gesagt, die EU sei nichts anderes als „ein Mittel zum Zweck für Deutschland“. Dies sei „mindestens ein Missverständnis“, sagte der Bundespräsident. „Europas Stärke kann nicht gegründet werden auf die Führung Einzelner, sondern nur auf die Verantwortung aller.“

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hält Großbritanniens Brexit-Zeitplan für unrealistisch. Die britische Premierministerin Theresa May will den EU-Austritt und ein freies Handelsabkommen mit der Europäischen Union bis 2019 unter Dach und Fach bringen. Neue Handelsbeziehungen seien aber ein „mühsames Unterfangen“, sagte der Vizekanzler der britischen Zeitung „The Independent“ kurz vor seinem Treffen mit Außenminister Boris Johnson und Brexit-Minister David Davis in London. Die Europäische Union hatte bereits ausgeschlossen, dass das von May gewünschte Freihandelsabkommen vor dem Brexit fertig wird.