Istanbul.

Bei der geplanten Verfassungsänderung in der Türkei stützt sich Staatschef Recep Tayyip Erdogan auf die ultranationalistische Oppositionspartei MHP. Die MHP ist auch die politische Heimat der berüchtigten Grauen Wölfe, jener rechtsextremistischen Bewegung, die in den 70er-Jahren für zahlreiche politische Morde verantwortlich gemacht wurde. Mit 36 Abgeordneten ist sie zwar die kleinste Oppositionsfraktion in der Nationalversammlung. Für Erdogan ist sie aber der wichtigste Verbündete bei seinen Präsidentschaftsplänen, nachdem ihm MHP-Chef Devlet Bahceli im vergangenen Herbst seine Unterstützung zusagte.

Bei der parlamentarischen Abstimmung über die Verfassungsänderung votierten 339 Abgeordnete mit Ja. Ohne Unterstützung aus den Reihen der MHP hätte Erdogan die erforderliche Dreifünftelmehrheit von 330 Stimmen verfehlt. Seine Regierungspartei AKP verfügt nur über 316 Mandate. Nun wirbt Erdogan um die Stimmen der Ultranationalisten beim Referendum am 16. April. Er verspricht ihnen die Einführung der Todesstrafe und stellt eine Volksabstimmung über den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen in Aussicht. Auch Erdogans anti-europäische Tiraden und die Nazi-Vorwürfe gegen EU-Politiker richten sich in erster Linie an die MHP-Klientel.

Für MHP-Chef Bahceli ist der Referendums-Wahlkampf zugleich ein Kampf um seine eigene Macht. Im vergangenen Mai konnte der 69-Jährige, der die MHP seit 20 Jahren führt, eine parteiinterne Revolte niederschlagen – mit Hilfe Erdogans: Die Polizei verhinderte mit Wasserwerfern und einem Großaufgebot von Beamten in Ankara eine Versammlung von MHP-Rebellen, die Bahceli stürzen wollten.

Jetzt vertieft Bahceli mit seinem Ja zum Präsidialsystem die Spaltung der eigenen Partei. Meinungsforscher prognostizieren, dass rund 80 Prozent der MHP-Wähler zu einem Nein tendieren. Gemessen an der Parlamentswahl 2015 wären das knapp 4,6 Millionen Stimmen. Die Abtrünnigen haben es nicht leicht. Mal werden ihre Kundgebungen von Grauen Wölfen gestört, mal fällt plötzlich der Strom aus.

Eine der prominentesten Stimmen der Nein-Kampagne ist die MHP-Dissidentin Aksener. Die 60-jährige Politikerin ist beredt und schlagfertig. Als kürzlich bei einer ihrer Kundgebungen die Scheinwerfer verloschen, konterte sie: „Wir suchen im Dunkeln nach der Demokratie.“ Mit ihrer Kampagne profiliert sich Aksener immer stärker als Alternative zu Bahceli. Er setzt die MHP einer schweren Zerreißprobe aus. Für Erdogan wäre das eine willkommene Perspektive: Je mehr sich die Opposition selbst zerlegt, desto stärker wird seine AKP.