Saarbrücken.

Die CDU hatte sich versteckt. Sie bauten ihre Cocktailtische und die Bierbänke für die Wahlparty in einem mittelgroßen Lokal hinter dem Hauptbahnhof von Saarbrücken auf. „Zusammen. Weiter. Voran“, steht auf einer Leinwand im Saal, gerade so groß wie ein Billardtisch. Es hätte ja alles ziemlich peinlich werden können an diesem Abend für die Christdemokraten. Und für ihre Spitzenkandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer, die viele im Saarland nur AKK nennen.

Es wurde aber keine Peinlichkeit. Der Abend wird ein sehr großer Erfolg. Und der Besitzer des Lokals lässt zu späterer Stunde keine Gäste mehr in den Saal. Zu voll.

Deshalb braucht Kramp-Karrenbauer mehrere Minuten, bis sie sich durch die jubelnden CDU-Anhänger nach vorn auf die Bühne gratuliert hat. Sie schüttelt Hände, sie bekommt Küsse auf die Wange, die CDU-Leute rufen „Annegret“, dazu läuft der Rock-Hit „Tage wie diese“. Als Kramp-Karrenbauer endlich vorne auf der Bühne steht, ruft sie ins Mikro: „Ich bin platt! Das ist so ein geiler Abend.“ Auch solche Sätze hätte nach dieser Wahl niemand erwartet. Jedenfalls nicht von AKK.

Nicht nur für die Saar-CDU stand viel auf dem Spiel

Der Druck war groß. In den vergangenen Wochen schien die Wahl zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD zu werden. Das kleine Saarland wurde immer größer – die Wahl zum „Auftakt in das Super-Wahljahr“ deklariert, zum ersten Test für das SPD-Aufputschmittel Martin Schulz, als Kompass für die politische Zukunft Deutschlands zwischen Rot-Rot und großer Koalition. Nicht nur für die Saar-CDU stand viel auf dem Spiel – auch für die ganze Partei von Kanzlerin Angela Merkel.

Nun ist klar: Die CDU hat ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl ihre Machtposition im Saarland verteidigt. Für ein Bündnis von SPD und Linkspartei reicht es nicht. Die Linke verliert trotz des noch immer bei Stammwählern beliebten Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine. Die Grünen scheiden sogar aus dem Landtag aus, die FDP scheitert erneut. Kramp-Karrenbauer kann weiter regieren. Doch AKK musste um diesen Sieg zittern. Noch zum Jahreswechsel hatte sie klar vorne gelegen – mit bis zu 13 Prozentpunkten. Dann kam Martin Schulz an die Spitze der SPD. Nichts war mehr sicher im Saarland. Vom Schulz-Effekt war die Rede. Vom „Hype“. Und SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger schwamm auf dieser Erfolgswelle mit. Bis auf einen Prozentpunkt schmolz der Vorsprung der CDU. Die SPD griff an, Rot-Rot schien möglich. Schien. Kramp-Karrenbauer sagt jetzt: „Wir haben dreimal gewonnen: gegen die SPD, gegen Schulz, gegen Lafontaine.“

Der Schulz-Effekt hat offenbar Grenzen. Stattdessen wählten viele Saarländer die CDU vor allem wegen deren Spitzenkandidatin Kramp-Karrenbauer – für fast jeden zweiten CDU-Wähler war die Person entscheidend. Ihr half am Ende sogar ein drohendes Bündnis von Rot-Rot. So sieht das auch SPD-Bildungsminister Ulrich Commercon. Er steht auf der Bühne in der Congresshalle in Saarbrücken, in der die Sozialdemokraten eigentlich den Wahlsieg feiern wollten. „Oskar hat uns die Suppe versalzen“, ruft Commercon den Genossen zu. Ein linkes Bündnis hätte funktioniert, sagt er später im Gespräch mit dieser Zeitung. „Aber nicht mit Lafontaine.“

Selbst viele SPD-Mitglieder habe die Vorstellung einer Regierung mit dem Ex-SPDler verschreckt. Lafontaine habe die SPD schon einmal verraten, sagt ein Anhänger der Partei. Damals, Ende der 1990er, als Lafontaine die SPD im Streit über die Agenda-Politik verlassen hatte. Als Rot-Rot immer wahrscheinlicher wurde, hätten viele Sozialdemokraten die Seiten gewechselt: zur CDU. Denn auch bei der SPD sagen viele, sie seien zufrieden gewesen mit der Arbeit in einer großen Koalition – trotz der hohen Verschuldung und der überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit. „Fehler hat die CDU gut kaschiert“, sagt ein SPD-Anhänger.

Die CDU versuchte, dem Schulz-Effekt einen AKK-Effekt entgegenzusetzen. Denn die Partei wusste, dass die Beliebtheitswerte der Ministerpräsidentin im Saarland weit über 70 Prozent lagen. Ihr Wahlkampf-Team hatte in den Tagen vor der Wahl noch einmal investiert: in neue Plakate, in neue Flyer, in weit mehr als 100.000 Briefe, die sie an Haushalte im Saarland verschickt haben. Überall war ihr Gesicht: „Annegret“.

Kramp-Karrenbauer hielt die Bundespolitik soweit es ging aus der Entscheidung an der Saar raus – Merkels Flüchtlingspolitik, der Zoff zwischen CDU und CSU: All das förderte nicht die Stimmung für weitere fünf Jahre CDU-Regierung in Saarbrücken. Nun war die Wahlbeteiligung deutlich höher als noch 2012. Auch das habe der CDU in die Hände gespielt, sagen viele auf der Wahlparty. Sie mobilisierte die Mitte.

Die AfD kam knapp in das Parlament. Selbst mit ihrem Lieblings-Thema „Flüchtlingspolitik“ konnte die rechte Partei nicht punkten. Die Menschen im Saarland waren zufrieden, wie die Regierung die Flüchtlingskrise im Saarland gemanagt hatte.

SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger zeigte sich enttäuscht. Nun bleibt sie womöglich Juniorpartner in einer großen Koalition. Man habe zwar eine Aufholjagd hingelegt, aber das Wahlziel nicht erreicht, sagte die stellvertretende Regierungschefin in der ARD. Es gebe einen allgemeinen Trend, dass der Amtsinhaber im Schlussspurt einen Bonus von den Wählern bekomme. Und auch Rehlinger sagte, dass die vor der Wahl nicht ausgeschlossene Option für ein rot-rotes Bündnis mit der Linkspartei Wählerstimmen gekostet haben könnte.