Hildesheim. Protestanten und Katholiken feiern gemeinsam Gottesdienst in Hildesheim

500 Jahre nach dem legendären Thesenanschlag von Martin Luther haben Protestanten und Katholiken sich von jahrhundertelangen Anfeindungen distanziert und ihre Gemeinsamkeiten hervorgehoben. Was in dem gemeinsamen Buß- und Versöhnungsgottesdienst am Sonnabend in Hildesheim geschah, drückte Bundespräsident Joachim Gauck am emotionalsten aus – und wich dabei von seinem Manuskript ab: Zu den vielen politischen Wundern, die er erlebt habe, sei nun ein „geistliches Wunder hinzugekommen“, sagte der Theologe nach dem Gottesdienst, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) teilnahmen.

„Die Christen in unserem Land bekommt man nicht mehr auseinander“, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, in der Predigt. Das Kreuz und Christus brächten die Christen zusammen, ergänzte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Die höchsten Vertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland erhielten für ihre Predigt in der Hildesheimer Michaeliskirche, die sie im Dialog hielten, Applaus. „Wir wollen in Zukunft nicht mehr getrennt glauben, wir wollen gemeinsam glauben“, sagte Bedford-Strohm.

Erstmals in der Geschichte nutzen Katholiken und Protestanten ein Reformationsjubiläum nicht zur Abgrenzung. Der Gottesdienst „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“ ist Teil dieses Prozesses. Unter dem Stichwort „Healing of Memories“ erinnern sie daran, was sie einander angetan haben, bitten sich gegenseitig um Vergebung und besinnen sich auf den gemeinsamen Glauben an Christus.

Von Scham, Trauer und der „Last der Entzweiung“ war im Gottesdienst die Rede. Doch dies sei „ein Tag der Freude“, sagte Kardinal Marx. Die Bischöfe, der eine im schwarzen Talar, der andere in Kardinalsrot mit lilafarbener Stola, umarmten sich herzlich. Das Reformationsgedenken solle die Kirchen zusammenführen, betonte der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm. Das täten die Christen „nicht anklagend oder niedergedrückt, sondern in einer Haltung der Hoffnung und des neuen Aufbruchs“, sagte der Münchner Erzbischof Marx. „Wir verpflichten uns“, den konfessionsverbindenden Ehen „alle Hilfestellungen zu leisten, die ihren gemeinsamen Glauben stärken“ und auch „weitere Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirchen gehen“, bekräftigten sie. Sichtbar wurde das vor der Predigt: Jugendliche richteten ein dreidimensionales Kreuz auf, das zuvor wie eine Panzersperre im Altarraum gelegen hatte. „Es gibt Wege, die Trennungen zu überwinden“, sagte Bedford-Strohm. Aus dem gemeinsamen Glauben sollen Taten folgen.