Berlin.

Auch nach einem Urteil des Verfassungsgerichts zu den Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland plant die deutsche Regierung keine Einreiseverbote. Zur Begründung verwies Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag auf die hohe Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Bundesregierung. „Was wir von anderen fordern, sollten wir eben selber leben.“

Das Bundesverfassungsgericht hat Bedingungen formuliert, unter denen ausländische Regierungsmitglieder in Deutschland in amtlicher Funktion auftreten können. Dem müsse die Bundesregierung ausdrücklich oder stillschweigend zustimmen, heißt es in der am Freitag veröffentlichten Entscheidung. Ausländische Regierungsmitglieder könnten sich bei Auftritten auch nicht auf Grundrechte berufen.

Trotzdem wiesen die Richter die Verfassungsbeschwerde eines deutschen Bürgers ab, der gerügt hatte, dass die Bundesregierung dem türkischen Ministerpräsidenten Binal Yildirim im Februar eine Kundgebung in Oberhausen ermöglichte. Der Beschwerdeführer habe nicht hinreichend dargelegt, dass er durch das Unterlassen der Regierung selbst in seinen Grundrechten betroffen sei. (Az.: 2 BvR 483/17) Mehrere Werbeauftritte für die türkische Verfassungsreform wurden in den vergangenen Wochen auf kommunaler Ebene aus Sicherheitsgründen untersagt. Andere Auftritte fanden wie geplant statt.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatten Deutschland im Streit über die Wahlkampfauftritte „Nazi-Praktiken“ vorgeworfen. Erdogan beschuldigt Deutschland außerdem, türkische Terrorverdächtige nicht auszuliefern. Merkel hatte darauf zurückhaltend reagiert: „Solche deplatzierten Äußerungen kann man ernsthaft eigentlich gar nicht kommentieren.“

Die regierungsnahe türkische Zeitung „Günes“ ist am Freitag mit einer Fotomontage von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Hitlerbart und Nazi-Gruß erschienen. Die Schlagzeile dazu lautete sinngemäß: „Dann verhalte dich halt nicht wie ein Nazi“. Die Zeitung „Aksam“ nannte Merkel auf ihrer Titelseite „Kandils große Schwester“. Im nordirakischen Kandil hat die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK ihr Hauptquartier.

Die Vereinten Nationen haben der Türkei vorgeworfen, bei der Verfolgung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK massiv gegen Menschenrechte verstoßen zu haben. Es sei zwischen Juli 2015 und Dezember 2016 zu zahlreichen Tötungen und zur systematischen Zerstörung von Siedlungen gekommen, schreibt das UN-Menschenrechtsbüro in einem am Freitag in Genf veröffentlichten Bericht. Mindestens 355.000 Menschen seien vertrieben worden. „Es scheint, dass die Beachtung der Menschenrechte zumindest seit Juli 2015 im Südosten der Türkei nicht funktioniert hat.“

Die Türkei verwehrt den UN-Ermittlern den Zugang zu den betroffenen Gebieten. Eine offizielle Untersuchung der vielen Tötungen, auch an Frauen und Kindern, fehle, sagte UN-Menschenrechtskommissar Said Raad al-Hussein. Dies könne die Spannungen in der Region weiter erhöhen. Seit der Aufkündigung des Waffenstillstandes zwischen der PKK und der Regierung im Juni 2015 ist der Konflikt wieder voll entbrannt.