Berlin/Istanbul. Dennoch planen Minister weitere 30 Auftritte in Deutschland. Merkel nennt Nazi-Vergleiche „unzumutbar“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihr Interesse an guten deutsch-türkischen Beziehungen trotz aller derzeit „tiefen und ernsthaften Meinungsverschiedenheiten“ betont. Zwar seien die Nazi-Vergleiche türkischer Regierungspolitiker „so deplatziert“, dass man es eigentlich nicht kommentieren müsse. Aber: „So unzumutbar manches ist – unser außen- und geopolitisches Interesse kann eine Entfernung der Türkei nicht sein“, sagte Merkel am Donnerstag im Bundestag in ihrer Regierungserklärung zum EU-Gipfel.

Auch der türkische Tourismusmi­nister ‎Navi Abci beschwor am Rande der Reisemesse ITB in Berlin die deutsch-türkische Freundschaft. Auf die Fragen, inwiefern diese nach Nazi-Vergleichen und der Inhaftierung des Journalisten Denis Yücel getrübt ist, sprach Abci von „kurzzeitigen Misstönen“. Türkische Politiker hatten zuvor behauptet, Deutschland würde Wahlkampfauftritte für das Verfassungsreferendum am 16. April behindern, und in diesem Zusammenhang von „Nazi-Praktiken“ gesprochen – darunter auch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.

Dabei verstoßen Wahlkampfauftritte im Ausland und in diplomatischen Vertretungen außerhalb der Türkei gegen das türkische Wahlgesetz. Dort heißt es in Artikel 94/A: „Im Ausland und in Vertretungen im Ausland kann kein Wahlkampf betrieben werden.“ Der Vertreter der Oppositionspartei CHP in der Wahlkommission, Mehmet Hadimi Yakupoglu, sagte, die Regierungspartei AKP selbst habe das Gesetz 2008 eingeführt. Es sei aber nicht geregelt, wer dessen Einhaltung kontrolliere.

Ungeachtet zahlreicher Absagen von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland hat Ankara eine Liste für 30 weitere Veranstaltungen eingereicht. „Wir erwarten, dass Deutschland eine Lösung für dieses Problem findet“, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu laut CNNTürk. Cavusoglu war am Dienstag in der Residenz des türkischen Generalkonsuls in Hamburg aufgetreten.

Die Türkei hat dem Hamburger Linken-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken einen Besuch bei den deutschen Soldaten auf dem Nato-Stützpunkt Konya verweigert. „Das Auswärtige Amt hat mir am Mittwoch mitgeteilt, die türkische Seite habe soeben telefonisch meinen Besuch abgelehnt“, sagte der Außenpolitiker der „Welt“. „Damit sucht die türkische Regierung eine weitere Eskalation mit Deutschland.“ Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte angesichts des Streits um die Wahlkampfauftritte Grundfreiheiten in der Türkei ein. Nach Deutschland kommen zu wollen, aber Abgeordneten Reisen zu Bundeswehrsoldaten zu verbieten, gehe überhaupt nicht, sagte er.