Warschau.

Es ist ein Bild der Eintracht. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski und sein deutscher Amtskollege Sigmar Gabriel stehen im Salomonsaal des Lazienki-Palais’ in Warschau, der Sommerresidenz des letzten polnischen Königs. An den goldverzierten Decken hängen riesige Kronleuchter, die weißen Wände sind aus Marmor. Waszczykowski lobt die „guten Beziehungen“ zwischen beiden Ländern, Gabriel nickt. Doch nach wenigen Minuten bekommt der harmonische Rahmen Risse.

„Die Lage in Europa ist heute kompliziert“, sagt der polnische Chefdiplomat. Und kritisiert die im Westen verbreitete Idee einer „EU der verschiedenen Geschwindigkeiten“. Die Signale aus Berlin, Paris oder Brüssel, die europafreundlichen Länder sollten voranschreiten, werden in Warschau als Bedrohung aufgefasst. Man befürchtet, abgehängt zu werden. Gabriel entgegnet: „Europa wird in der Welt nur ernst genommen, wenn es gemeinsam auftritt.“ Er mahnt zu mehr Integration bei Sicherheit, Verteidigung, Grenzsicherung und sozialer Marktwirtschaft. Den Polen geht das zu weit.

Und doch sendet Gabriel eine verdeckte Botschaft an Waszczykowski: Die EU kann sich in der Brexit-Ära nur aus der Krise ziehen, wenn sich alle zusammenraufen. In letzter Zeit kamen aber aus Polen vor allem Provokationen. Neuester Querschläger: Warschau benennt einen eigenen Kandidaten für das Amt des EU-Ratspräsidenten. Der relativ unbekannte Europaabgeordnete Jacek Saryusz-Wolski soll gegen den polnischen Amtsinhaber Donald Tusk antreten. Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo machte in einem Brief an die EU-Regierungschefs massiv Front gegen Tusks Wiederwahl. Ein Affront gegen das bisher in der Gemeinschaft gepflegte Konsensprinzip.

Tusk hat zwar auf dem heute in Brüssel stattfindenden EU-Gipfel eine qualifizierte Mehrheit von 55 Prozent der stimmberechtigten Länder so gut sie sicher. Dennoch setzt Polen ein Zeichen: In Zeiten, in denen sich die EU in einer Phase der Neuorientierung befindet, spielt man die nationale Karte. Die rechtskonservative Marschroute der seit 2015 regierenden PiS-Partei hat in Brüssel ohnehin zu großer Verärgerung geführt. So hat die Regierung die Arbeitsweise des Verfassungsgerichts derart verändert, dass sie durch die Richter nicht mehr ordentlich kontrolliert werden kann. Zudem ernennt die Regierung die Chefs der Rundfunkstationen. Die EU-Kommission hat daraufhin ein Verfahren gegen Warschau eingeleitet, beißt sich aber bislang im bürokratischen Pingpong-Spiel die Zähne aus.

EU-Justizkommissarin Vera Jourova hat nun die Finanzkeule Richtung Warschau geschwungen. EU-Fördergelder solle es künftig nur bei einem gewissen Niveau an Rechtsstaatlichkeit geben. Gabriel lehnt dies ab: „Ich halte nichts von Drohgebärden.“ Immerhin ein versöhnliches Signal zum Abschluss des Besuchs.