Washington. Nordkoreas Diktator Kim will USA durch Provokationen zu Verhandlungen zwingen

Seit US-Präsident Donald Trump im Amt ist, verschärft Nordkorea die militärischen Drohgebärden. Binnen sieben Wochen gab es – gegen alle UN-Resolutionen – neun Raketentests. Diktator Kim Jong-un, davon gehen Sicherheitskreise in Washington aus, will durch die Provokation der Nachbarländer Südkorea und Japan den neuen amerikanischen Präsidenten „testen und an den Verhandlungstisch zwingen“. Das Weiße Haus reagierte bisher „konturlos“, schreiben US-Zeitungen. Dabei wächst nach dem jüngsten Zwischenfall der Handlungsdruck. Trump hat ihn selbst mit einer klaren Ansage erzeugt.

Nordkorea hatte am Montag vier Raketen abgefeuert, die 300 Kilometer vor der Küste in das Japanische Meer stürzten. Das Regime in Pjöngjang rechtfertigt die Aktion mit Militärmanövern Südkoreas und Amerikas vor der Halbinsel. Die Raketentests, so nordkoreanische Staatsmedien, richteten sich explizit auf potenzielle amerikanische Ziele in Japan. Dort sind 54.000 US-Soldaten stationiert. In Südkorea sind es 25.000. Regierungschef Shinzo Abe in Tokio sprach nach einem Telefonat mit Trump und dem südkoreanischen Präsidenten Hwang Kyo-ahn von einer „neuen Stufe der Bedrohung“. Trump sicherte den „eisernen Rückhalt“ der USA zu.

Sanktionen haben bisherkeine Wirkung gezeigt

In einer ersten Reaktion haben die Vereinigten Staaten, sehr zum Missfallen Chinas, in Südkorea mit der noch unter Obama vereinbarten Installation des Raketenabwehrsystems THAAD begonnen. Die mobilen Raketen des US-Rüstungsherstellers Lockheed Martin können in bis zu 150 Kilometer Höhe feindliche Angriffe neutralisieren. Allerdings bietet THAAD keinen allseitigen Schutz. Die Zehn-Millionen-Metropole Seoul liegt in der Reichweite großkalibriger Geschütze Nordkoreas an der Grenze.

„Wir fordern alle Beteiligten auf, die Aufstellung abzusagen und damit zu verhindern, weiter einen Irrweg zu verfolgen“, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Geng Shuang, in Peking. China fürchtet eine Eskalation mit Nordkorea, sieht das Gleichgewicht in Ostasien und seine eigenen Sicherheitsinteressen bedroht. Vor der für diesen Mittwoch geplanten Sitzung des UN-Sicherheitsrats forderte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, Nordkorea zur Zurückhaltung auf.

Um Nordkorea zu bremsen, waren seit 2006 von den Vereinten Nationen sechs Mal Sanktionen gegen das bitterarme, abgeschottete Land verhängt worden. Das nukleare Rüstungsprogramm, dem technische Beihilfe aus dem Iran attestiert wird, wurde dadurch aber nicht gestoppt. Nach Schätzungen internationaler Organisationen hat Nordkorea Material für den Bau von bis zu 20 Atombomben angehäuft und bei der Entwicklung seiner Waffensysteme erhebliche Fortschritte gemacht.

Auch jahrelange Versuche der Amerikaner, die Kapazitäten der Nordkoreaner durch elektronische Sabotage und Cyberangriffe nachhaltig zu verringern, sind nach einem Bericht der „New York Times“ nicht von großem Erfolg gekrönt gewesen. Diktator Kim kündigte zuletzt sogar die baldige Fertigstellung einer mit Nuklearsprengköpfen versehenen Interkontinentalrakete an, die amerikanisches Festland erreichen könne. Wann dies technisch denkbar wäre, weiß niemand verlässlich. Für Washington ist es trotzdem eine „rote Linie“. Trump reagierte darauf via Twitter: „Das wird nie passieren.“ Inzwischen wird die Frage immer lauter gestellt, wie der Präsident der Bedrohung konkret Herr werden will.

Trumps Drängen im Wahlkampf auf mehr Mithilfe der Nachbarsupermacht China ist bislang wirkungslos verpufft. Mit der Errichtung des Raketenabwehrsystems könnten die Versuche zur Zusammenarbeit, die US-Verteidigungsminister James Mattis anstrebt, sogar noch erschwert werden. Washingtoner Denkfabriken warnen ohnehin vor der Vorstellung, dass China das kommunistische Regime stürzen könnte. Sollte Nordkorea kollabieren, müsse China nicht nur mit einer „riesigen Flüchtlingswelle“ rechnen. Sondern auch mit einem Näherrücken der in Südkorea stationierten US-Truppen. „Die Pufferfunktion ginge verloren“, sagen Fachleute im Cato-Institut. Mit Interesse wurde dort registriert, dass China den für Nordkorea existenziell notwendigen Ankauf von Steinkohle für dieses Jahr gestoppt hat. „Das könnte eine Warnung an Kim Jong-un gewesen sein, sich zu mäßigen und eine diplomatische Lösung nicht zu verhindern.“

Sich auf den Verhandlungsweg zu konzentrieren, ist nach Einschätzung des Asienexperten Leon V. Sigal aus New York das Gebot der Stunde. Kernargument: Gezielte Militärschläge gegen Nordkorea, wie sie in Sicherheitskreisen auch debattiert werden, seien mit zu großen Risiken behaftet und könnten zu Kettenreaktionen in der Region und schweren Vergeltungsschlägen führen. Kim Jong-un weiter nur mit neuen Sanktionen zu drohen, sei aber auch kein zielführendes Mittel.

An dieser Stelle kommt Donald Trump ins Spiel. Im Wahlkampf hatte der Geschäftsmann gesagt, er sei unter Umständen bereit, sich mit Kim Jong-un an einen Tisch zu setzen und zu verhandeln. Damit käme Trump den Begehrlichkeiten des jungen Diktators entgegen, der auf internationale Anerkennung und Verhandlungen mit dem Erzfeind USA auf Augenhöhe erpicht ist. In Amerika könnte ein solcher Schritt jedoch als Einknicken vor einer nuklearen Erpressung wahrgenommen werden. Noch zu gut ist der Satz von Dick Cheney, Vizepräsident der Regierung von George W. Bush, in Erinnerung, der bezogen auf Nordkorea einmal sagte: „Wir verhandeln nicht mit dem Bösen, wir besiegen es.“

Trump, der sich im Wirtschaftsleben eine gewisse Meisterschaft im Verhandeln attestiert, hatte im US-Fernsehen 2016 davon gesprochen, es gebe für ihn eine Chance von zehn bis 20 Prozent, das nordkoreanische Atomproblem am grünen Tisch zu lösen. Experten wie der frühere Präsidentenberater Victor Cha halten den Zeitpunkt für gekommen, an dem Trump sein Fähigkeiten einsetzt. „Die Zahl der Raketentests wird in nächster Zeit weiter zunehmen.“