Washington.

Nach seinen ebenso spektakulären wie komplett unbewiesenen Abhörvorwürfen gegen Vorgänger Obama hat US-Präsident Donald Trump den Rückzug angetreten und die Verantwortung für die Aufklärung delegiert. Der Kongress in Washington soll untersuchen, ob die vorherige Regierung ihre Befugnisse im Präsidentschaftswahlkampf 2016 zu Lasten Trumps missbraucht hat, erklärte Regierungssprecher Sean Spicer am Sonntag. Bis das Ergebnis vorliegt, will Trump zu dem Thema schweigen.

Damit bleibt unklar, was genau den Präsidenten bei seinen Attacken geritten hat. US-Amerikanische Medien vermuten, dass Trump von dem Verdacht ablenken will, er und seine Vertrauten hätten engere Kontakte nach Russland als er zugeben will.

Trumps Sprecher nannte als Grund für die Anschuldigungen gestern „beunruhigende“ Berichte über „möglicherweise politisch motivierte Untersuchungen“ der Obama-Regierung. Gemeint sind damit Äußerungen des rechtskonservativen Radio-Moderators Mark Levin und des Internetportals „Breitbart“, das bis vor Kurzem von Trumps Chefberater Stephen Bannon geführt wurde. Dort war von „Polizeistaatsmethoden“ gegen Trump und einem „stillen Coup“ Obamas die Rede. Trump machte sich die konspirative Darstellung am Sonnabend zu eigen und stellte sie seinen über 25 Millionen Twitter-Abonnenten als Tatsache dar: „Schrecklich! Habe gerade erfahren, dass Obama meine Telefon-Leitungen im Trump-Tower kurz vor dem Sieg anzapfen ließ. Böser (oder kranker) Kerl!“ In weiteren Tweets zog er Parallelen zu großen Skandalen wie Watergate und der Kommunisten-Hetzjagd unter Senator McCarthy.

Kongressabgeordnete und Mitglieder der Obama-Regierung wiesen die Vorwürfe am Wochenende als „völlig falsch“ zurück. Weder Obama noch jemand anderes aus der Regierungszen­trale habe jemals die Überwachung eines US-Bürgers angeordnet. Tenor: Der Präsident hat gar nicht die Vollmachten. James Clapper, Obamas Geheimdienst-Koordinator, versicherte dem Sender NBC: „Es gab keine Abhörmaßnahmen.“

Aber: Bereits vor einem Jahr ging das Justizministerium dem Verdacht von illegalen Geldgeschäften zwischen russischen Banken und dem Trump-Lager nach. Ein geheim tagendes Sondergericht (Fisa) gab für die Überwachung von Computerservern durch das FBI nach mehreren Anläufen im Oktober 2016 grünes Licht. Ergebnis: kein Fehlverhalten.

Die beiden Zeitungen „Washington Post“ und „New York Times“ berichteten am Wochenende erneut über Verbindungen zwischen Trump und seinen Leuten und Russland. Der Präsident ist offenbar wütend darüber, wie sein Stab mit dem Thema umgeht. Am Freitag soll es im Weißen Haus zu Schimpfkanonaden gekommen sein. Nach außen spricht Trump von einer „Hexenjagd“ der Medien. Er fühlt seine Regierungsarbeit nicht genügend gewürdigt. Die Taktik, mit einer Front gegen Obama von eigenen Schwierigkeiten abzulenken, könnte aber nach hinten losgehen. Gegen seine These, er und sein Wahlkampfteam hätten keine Kontakte nach Russland gehabt, sprechen bekannte Fakten. So ist Sicherheitsberater Michael Flynn über Gespräche mit Russlands US-Botschafter Kisljak bereits gestrauchelt. Justizminister Jeff Sessions muss am heutigen Montag im Senat zu seinen unter Eid verheimlichten Gesprächen mit dem Putin-Gefolgsmann Stellung nehmen. Daneben sind Trumps Schwiegersohn Jared Kushner sowie die Berater Carter Page, Jeffrey Gordon und Walid Phares durch bisher nicht aufgeklärte Russland-Kontakte aufgefallen.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem, gestützt auf geheimdienstliche Erkenntnisse, nicht über die Medien neue Teile im „Russland-Puzzle“ bekannt werden.

Trump und sein Team verstricken sich dabei in Widersprüche. Mal gab es keine Kontakte zu Russland. Mal waren sie – wie bei Flynn oder Sessions – nur banaler Natur. Dabei steht der Satz von Sergej Rjabkow im Raum: Russlands Vize-Außenminister hatte nach Trumps Wahlsieg erklärt, der Kreml habe gute Kontakte zu Trump: „Wir kennen die meisten Leute aus seinem Umfeld.“

Die Demokraten im Kongress wittern Morgenluft. Sie verlangen den Rücktritt von Justizminister Sessions und die Offenlegung der bereits vom FBI gesammelten Informationen zum Thema Russland. Bei den Republikanern wächst dagegen die Sorge, dass sich die Russland-Connection als Bremsklotz für die anstehenden ersten großen Projekte der Regierung (Steuerreform, Krankenversicherung, Einwanderungsstopp) erweisen könnte.

Wie und in welchem Zeitraum nun Trumps Vorwürfe gegen Obama aufgeklärt werden, ist offen. Der republikanische Senator Ben Sasse fordert Trump auf, die „fundamentale Vertrauenskrise unserer Zivilisation“ nicht durch „Gerüchte“ zu verschlimmern. Trump solle Beweise für seine Komplott-Theorie vorlegen. Auch Senator Lindsey Graham nannte Trumps Vorwürfe „erschütternd“. Er sei „sehr beunruhigt“, dass der Präsident behaupte, sein Vorgänger habe illegal gehandelt. Der demokratische Kongressabgeordnete Eric Swalwell versuchte, das ganze Thema weniger ernst zu nehmen: „Ich denke, der Präsident ist nur früh auf und twittert routinemäßig.“ Trump selbst verbrachte das Wochenende erneut auf seinem Anwesen in Florida und spielte Golf.