Potsdam.

Alexander Gauland schmückt sein Büro im Brandenburger Landtag mit alten englischen Stichen. Ein Bild zeigt William Lamb, einen britischen Premierminister aus dem 19. Jahrhundert. Die Gegenwart sieht für den stellvertretenden Bundesvorsitzenden und brandenburgischen Fraktionschef der Alternative für Deutschland eher düster aus.

Die AfD ist in den Umfragen auf einstellige Werte abgestürzt. Geht Ihrer Partei im Wahljahr die Puste aus, Herr Gauland?

Alexander Gauland: Das glaube ich nicht. Ich halte das für eine vorübergehende Delle, die internen Streitigkeiten geschuldet ist, wie sie halt in jungen Parteien immer mal wieder vorkommen. Was uns in den Umfragen vor allem zu schaffen macht, ist der Umgang mit der Dresdner Rede von Björn Höcke.

Ist es nicht die Rede selbst, die Ihnen schadet? Thüringens AfD-Chef hat das Berliner Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert.

Ich glaube nicht, dass uns die Rede wirklich geschadet hat. Manche Formulierungen waren sicher unklug – und das hat er auch eingesehen. Aber das, was Björn Höcke gemeint hat, unterstütze ich: Die Erinnerung an die großen Zeiten deutscher Geschichte beginnt hinter den zwölf Jahren zu verschwinden.

Wollen Sie den Nationalsozialismus zu einer Episode der deutschen Geschichte erklären?

Es kann nicht sein, dass hinter den nationalsozialistischen Schandtaten die großen Zeiten der deutschen Geschichte völlig zurückstehen. Wir können Erinnerung nicht auf diese zwölf Jahre beschränken. Ich halte es für falsch, dass man den Umgang mit Auschwitz zur Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland erhebt. So kann man die Menschen für diesen Staat nicht begeistern.

Sie relativieren und verharmlosen den Holocaust.

Überhaupt nicht. Ich stelle nur fest, dass die deutsche Geschichte sehr viel älter ist. Wenn Sie so wollen, ist sie tausend Jahre alt. Ich spreche jetzt nicht von dem elenden „tausendjährigen Reich“ dieses Gefreiten aus Braunau. Die Deutschen haben Großes hervorgebracht. Denken Sie an den Bamberger Dom oder den Magdeburger Dom, die Staufer-Zeit oder die Bismarck-Zeit. Es gibt so vieles, was mit Adolf Hitler überhaupt nichts zu tun hat. Das sieht Björn Höcke genauso. Er ist ein Patriot, ein romantischer, national gesinnter Mensch. Das Parteiausschlussverfahren, das gegen ihn eingeleitet wurde, ist juristisch haltlos. Man kann einen Menschen, der so in der Partei verankert ist, nicht für eine in Teilen verunglückte Rede ausschließen. Dieses Verfahren droht die AfD weit über die Bundestagswahl hinaus zu belasten.

Versuchen Sie, das Ausschlussverfahren zu stoppen?

Juristisch ist das möglich. Mir wäre es recht, wenn es so käme. Auch bei denen, die dafür gestimmt haben, gibt es inzwischen erhebliche Bedenken, ob das der richtige Weg ist.

Wollen Sie überhaupt noch verhindern, dass die AfD in das rechtsextreme Spek­trum abrutscht?

Wir haben da ganz klare Beschlusslagen: Wer früher in der NPD oder in der DVU war, kann nicht der AfD beitreten.

Das soll reichen?

Es gibt auch Leitlinien aus der Zeit von Bernd Lucke, die immer noch gelten. Und die rote Linie ist immer die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Im Saarland, wo diesen Monat gewählt wird, pflegt die AfD belegbare Kontakte zu Rechtsextremen ...

Da hat es Kontakte gegeben, die politisch nicht klug waren. Aber es wäre falsch gewesen, das Fehlverhalten Einzelner mit der Auflösung des Landesverbands zu bestrafen.

Machen Sie persönlich Wahlkampf im Saarland?

Ja, klar. Das machen viele von uns – trotz dieser Geschichte.

Spüren Sie eigentlich Auswirkungen des Schulz-Effekts, der den Sozialdemokraten neuen Zulauf beschert?

Der Sozialpopulismus von Herrn Schulz klingt manchmal so, als stamme er von der AfD. Aber Wähler, die uns gewogen sind, werden nicht von Schulz angezogen. Er verkörpert alles, was wir zutiefst ablehnen – nehmen Sie nur die Euro-Politik und die Griechenland-Rettung. Ich sehe keinen Korrekturbedarf, den uns Herr Schulz aufzwingen würde.

Sie haben die Flüchtlingskrise einmal als „Geschenk“ für Ihre Partei bezeichnet. Vernünftige Lösungen ist die AfD aber schuldig geblieben. Ihr Vorhaben, Flüchtlinge auf Inseln zu deportieren, hat die Wähler nicht überzeugt ...

Australien zeigt, dass es sinnvoll sein kann, Flüchtlinge auf Inseln zu bringen. Aber ich will gern zugeben, dass unsere geografische Lage nicht so viele geeignete Inseln bietet. Es ist manchmal notwendig, schrille Forderungen zu erheben, um den etablierten Parteien überhaupt klarzumachen, was die Bevölkerung denkt.

Will die AfD von Donald Trump lernen? Der amerikanische Präsident versucht, Muslimen aus bestimmten Staaten generell die Einreise zu verwehren ...

Eine westliche Gesellschaft, in der die Muslime einen immer größeren Anteil haben, bekommt Probleme. Man muss sehen, dass der muslimische Glaube etwas völlig anderes ist als der katholische oder der evangelische, wahrscheinlich auch der hinduistische. Der Islam, der einen politischen Anspruch erhebt, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Deswegen bin ich bei der Zuwanderung von Muslimen sehr skeptisch.

An welche Regelung denken Sie?

Wir sollen nur diejenigen Muslime ins Land lassen, die wirklich um ihr Leben fürchten müssen. Muslime, die etwa aus Nordafrika kommen, sind offensichtlich Wirtschaftsflüchtlinge.

Wollen Sie einen Einreisestopp für Muslime aus allen Ländern, in denen gerade kein Krieg herrscht?

Das wäre eine Linie, die mir persönlich naheliegen würde: ein genereller Einreisestopp für Menschen aus muslimischen Ländern, in denen die politische Lage stabil ist. Wir sollten keine Muslime ins Land lassen, denen es nur um das persönliche Fortkommen geht. Denn der Islam ist nach Khomeini politisch – oder er ist nicht. Und das widerspricht der Werteordnung des Grundgesetzes. Muslimische Gläubige sind kein Problem, der Islam als Religionsgemeinschaft schon.

Das formulieren die Rechtsaußen von Frankreich und den Niederlanden, Marine Le Pen und Geert Wilders, ganz ähnlich. Drücken Sie ihnen für die bevorstehenden Wahlen die Daumen?

Die AfD sollte mit Geert Wilders und Marine Le Pen in allen außenpolitischen Fragen zusammenarbeiten. Ich drücke dem Front National in Frankreich und der PVV in den Niederlanden genauso die Daumen wie der Freiheitlichen Partei Österreichs.

Was ist das gemeinsame Ziel? Die Auflösung der EU?

Zum Beispiel.

Würden Sie auch in Deutschland eine Volksabstimmung über den Austritt aus der EU abhalten?

Es wäre gut, die Bevölkerung zu fragen, so wie das auch die Briten gemacht haben: Wollt ihr Teil der EU bleiben? Dafür müsste das Grundgesetz geändert werden. Wenn Frau Le Pen die Präsidentschaftswahl gewinnt und Frankreich aus der EU führt, halte ich diesen Weg sogar für zwingend. Die EU wäre dann ja eine ganz andere – mit Deutschland als alleiniger Führungsmacht. Das wäre problematisch aus unserer Vergangenheit heraus. Ich denke: Wenn Frankreich geht, hat die EU keine Zukunft.