gaggenau/Berlin. Große Unruhe in der Stadt, in der ein türkischer Minister auftreten wollte

Das also auch noch. Eine Bombe. Im Rathaus. Von Gaggenau. Als Michael Pfeiffer kurz nach 8 Uhr am Freitag den Anruf seines Ordnungsamtes bekommt, hat er diesen Satz als Erstes im Kopf: Das also auch noch. Pfeiffer ist der Bürgermeister der 30.000-Einwohner-Stadt bei Baden-Baden. Er muss jetzt schnell vor Ort sein.

Ein unbekannter Mann hat am Morgen im Rathaus angerufen. Es sei eine Bombe im Gebäude, die Polizei wisse Bescheid. Der Grund für die Drohung sei die abgesagte Veranstaltung mit dem türkischen Justizminister Bekir Bozdag in Gaggenau. Polizisten evakuieren das Rathaus, Einsatzkräfte mit Spürhunden rücken an, durchsuchen das graue Haus am Marktplatz. Wer steckt dahinter?

Am Vortag berät sich Pfeiffer dort noch zusammen mit der Polizei. Der Erdogan-treue und regierungsnahe Verein UETD hatte zu einer Versammlung in Gaggenau eingeladen. In die Festhalle im Ort passen 500 Menschen. Nun soll der türkische Minister kommen. Und die Polizei rechnet mit weiteren Hunderten Besuchern. Über soziale Netzwerke wurde zum Besuch der Veranstaltung mit Bozdag aufgerufen. Der Minister wollte offenbar auch für die umstrittene Verfassungsänderung werben, die das Parlament in der Türkei in seiner Macht begrenzt und Präsident Tayyip Recep Erdogan mehr Befugnisse gibt.

Pfeiffer, parteilos, sagt, dass er als „Herzblut-Demokrat“ die Entwicklung in der Türkei sehr kritisch sehe. Aber die Veranstaltung habe er nicht aus politischen Gründen abgesagt. Er konnte die Sicherheit nicht garantieren. Zu viele Menschen, er musste das Hausrecht anwenden. Etliche E-Mails hätten ihn danach erreicht, „gefühlt Hunderte“, sagt Pfeiffer. Die allermeisten waren zustimmend. Pfeiffer habe richtig reagiert, dem Erdogan Paroli geboten, man sollte die Propaganda des türkischen Staates hier in Deutschland nicht zulassen.

Pfeiffers Entscheidung fällt zwischen die Meldungen über inhaftierte Journalisten in Istanbul, der Debatte über Flüchtlingspakt und Erdogans Weg in Richtung Präsidialsystem. Bei Pfeiffer klingelt laufend das Telefon, er gibt Pressestatements. Auf einmal wurde es sehr weltpolitisch. Kurz vor Mittag aber gibt die Polizei Entwarnung. Keine Bombe im Rathaus. Aufatmen in Gaggenau.